Dresden Files Rollenspiel

Edinburgh Blues

Der folgende Beitrag stammt von JollyOrc. Er war so freundlich, ein Diary zu der letzten Sitzung unserer Dresden Files (DFRPG) Runde zu schreiben. Die Erstfassung ohne meine Kommentare ist im Tanelorn erschienen. Der Text ist aus der Ich-Perspektive seines Charakters (eines normalen, also nicht übernatürlich begabten, Gunmans) geschrieben. Die grau hinterlegten Einschübe sind seine Anmerkungen, in denen er diese Perspektive verlässt. Meine Anmerkungen sind blau gekennzeichnet. Ich kommentiere aus der Sicht des Spielleiters und richte mein Augenmerk vor allem auf dei FATE-besonderen Mechanismen und erwähne es, wenn die FATE-Regeln eine besondere Rolle spielten.

Dienstag morgens, nach einer durchzechten Nacht…

brrrrRRRING!

brrrrRRRING!

Verfluchtes Telefon, warum hab ich das Mistding nicht aus der Wand gerissen?

brrrrRRRING!

Fluchend, grummelnd, und über die am Boden verstreute Wäsche stolpernd greife ich nach dem Hörer und brumme etwas unflätiges hinein.

“Hier ist Edeltraut, kannst Du nicht vorbeikommen Jan? Es ist wichtig…”

Schon um den Hörer endlich wieder auflegen zu können willige ich ein. Außerdem, Deutschlands letzte Frau gegen das Übernatürliche ist ja ganz ansehnlich, und von Kaffee war auch die Rede. Eine lange Dusche, zwei Aspirin und zwanzig Minuten im Taxi später hielt ich den versprochenen McMasters-Kaffee in der einen, und einen getippten Schrieb in der anderen Hand.

Sandra Sládek als alte Flamme von Jan einzubauen war eine spontane Idee von mir, als ich das Handout las. Karsten hatte sich eh schon lange darüber beschwert, dass Jan einen viel zu vagen und langweiligen Hintergrund hätte, und doofe Aspekte sowieso. Also änderte ich mit dem letzten Milestone seinen Trouble Aspekt auf “Lieber allein”, weil mein Auftragskiller halt seiner ersten großen Liebe die ihn urplötzlich verlassen hatte hinterhertrauert.

Ich finde das natürlich großartig. Einerseits kann sowas zwar leicht in peinlichen Kitsch abgleiten, andererseits ist es FATE – und da spielen persönliche Bindungen eine Rolle. Und das war etwas, was mir bei Jan fehlte – persönliche Bindungen und damit die Motivationen, aus denen heraus Jan handelt. Wenn es sie gibt, machen sie es dem SL so viel leichter und für alle viel konsistenter, warum ein Char tut, was er tut.

Aus meiner Sicht war alles klar: Edeltraut und Boris saßen tief in der Scheiße. Ich kenne Bullenschreibe, und wenn jemand von “der Ihnen gemachte Vorwurf” schreibt, dann sollte man besser die Stadt und den Namen wechseln. Gut, das kann Frau Hauptkommissarin Manske natürlich nicht so einfach machen. Aber, ein kurzer Blick auf die Unterschriften, unter der Vorladung, dieser Peabody und seine Übersetzerin Sládek scheinen es ja ernst zu me-

Abrupt stelle ich den Kaffee hin. Tatsächlich. Sládek, Sandra Sládek.

Nach all den Jahren…

“ok Edeltraut, ich komme mit nach Prag…”

Prag, Dämmerung

Im vernebelten Prag treffen wir auf Ayden MacGregor. Keine Ahnung, welche Laus dem Kerl über die Leber gelaufen ist, oder ob alle Schotten so einen Stock im Arsch haben, aber er machte es wirklich nicht leicht ihn zu mögen.

Gefällt mir. Leute nicht mögen zu müssen, macht es einfacher sie später zu erschießen.

Ayden ist eigentlich ein NPC, mit dementsprechend hohen Werten, den Orko als Gastspieler verkörperte. Karstens Regieanweisung war wohl auch “arrogantes Arschloch”, und Orko hat das mit viel Spaß gespielt. Der NPC ist deutlich mächtiger als wir, was sich vor allem in einem ansehnlichen Stapel Fate-Chips wiederspiegelt. Allerdings wird Orko sich im Verlauf des Abends an keiner Stelle in den Vordergrund stellen, sondern einen wirklich spaßigen und herausfordernden aber im Endeffekt auch hilfreichen NPC geben.

Das waren nicht nur die anfangs großzügig ausgegebenen FATE-Chips, die Ayden MacGregor so mächtig machten. Er hatte auch deutlich mehr Refresh und Skillpunkte. Er sollte die anderen eigentlich als spielergeführter NSC piesacken (und eine abwesende Mitspielerin ersetzen) und immer weniger mächtig werden (durch Verlust von Chips), damit die eigentlichen Spieler gegen Ende der Sitzung dann glänzen können. Es kam anders, denn Orko startete Ayden zwar als arroganten Mistkerl, wurde aber immer netter und hilfreicher. Und jetzt ist er der Runde beigetreten. Nur Ayden müssen wir ordentlich nerfen – er ist viel zu mächtig. Gelernt habe ich, dass die FATE-Chips vermutlich gereicht hätten, um Ayden so wirken zu lassen, wie er sollte. Ich fürchtete aber, dass es zum Kampf kommen könnte – dazu sollte er stark genug sein, um gegen drei Spieler eine Chance zu haben. Dazu kam es aber nicht. Insgesamt hat Orko seinen Job extrem gut gemacht und ist jetzt ein festes Mitglied der Runde.

Was alle Reiseführer über Prag verschweigen: Dort gibt es nicht nur den Dom und die Altstadt, sondern auch Vampire. Verdammt viele Vampire! Zum Glück hab ich noch Edeltrauts weihwassergetränkte Spezialmunition…

Der erste Kampf des Abends. Wir machen vergleichsweise kurzen Prozess mit den Vampiren, nicht zuletzt dank gepimpter Munition. Der SL macht uns aber klar, dass das nur der Auftakt war, und da noch viel mehr Vampire herumlaufen…

Das Encounter sollte Ayden an die Gruppe heranführen und Orko in die Regeln der Zauberei in Dresden Files einweisen. Außerdem hat sich Xermides für nur einen Fatepunkt von einem Vampir den Arm ablecken lassen! Muhaha!

Wir liefern uns eine Rauferei mit den Mistkerlen und retten uns dann in eine Kirche. Gott schütze die Katholiken, mit ihren vielen und stets offenen Kirchen. Der Kerl da oben verzeiht mir auch sicher, dass ich meine Waffen erstmal auf dem Altar durchsehe und die Munition zähle.

Noch 16 von Edeltrauts Patronen übrig, diverse Handgranaten und mehr als genug normale Munition. Hm.

Es wurde letztlich nicht wichtig, aber ich habe hier dann doch mal zur Buchführung gegriffen und JollyOrc zählen lassen, wieviel Munition er so verbraucht.

Allerdings frage ich mich, was mit Boris los ist – andauernd schaut er sehnsüchtig nach draußen. MacGregor und Edeltraut klären mich dann endlich auf: Während der Rauferei hat einer der Vampire Boris einmal abgeschleckt – und deren Speichel macht süchtig nach mehr.

Mistkerle.

Karsten versuchte noch, Xemides zu compellen, aber da war doch jemand vorsichtig genug. Boris bleibt erstmal drinnen! Zumal wir aus Erfahrung wissen, dass man zwar einen Fatepunkt bekommt, meist aber mindestens zwei sofort wieder ausgibt, um aus der Situation rauszukommen :)

Xemides wollte den Chip. Als Zauberer, der mit nur einem Fatepunkt in den Abend startet, nimmt er fast jedes Angebot an – wohl auch, um sein eher klägliches Würfelglück zu kompensieren. Die anderen Spieler haben ihn aber daran gehindert, einfach so rauszurennen.

Die Situation verschärft sich, als die Blutsauger eines ihrer Opfer “zum Verhandeln” schicken. Boris soll alleine nach draußen kommen. Noch können wir ihn aufhalten, aber wer weiß wie lange. Und sollte er nicht kommen, würden sie ihre sterblichen Diener und “die Hunde” schicken. Hab ich erwähnt, dass ich Hunde nicht ausstehen kann?

“Gib mir fünf Minuten” rufe ich Edeltraut zu, packe meine Sachen und haste den Kirchturm hinauf. Hey, was für die Scharfschützen im zweiten Weltkrieg passte, ist gerade gut genug für mich!

Never split the party, hm? Blödsinn, Jan ist Einzelgänger und Scharfschütze, im Getümmel kriegt er immer gleich was auf die Fresse, also lieber verziehen…

Allerdings sieht die Situation von da oben nicht gerade viel rosiger aus: Vor und um der Kirche wimmelt es von Blutsaugern. Mehr als ich Munition dabei habe. Verdammt.

Gut, wenn man sie nicht alle umbringen kann, dann kann man sie wenigstens ablenken. Schnell ist deren Unterschlupf erspäht. Und da ich ja ein heimliches Kerlchen bin, komme ich auch ungesehen auf das Dach. Angewidert schaue ich durch das große Oberlicht einem armen Kerl zu, der gerade von einer dieser Kreaturen gleichzeitig bestiegen und ausgesaugt wird. Wahrscheinlich bezahlt der sogar Geld dafür. Dennoch fürchte ich, dass er doch nur ein Opfer ist, und so bringe ich die improvisierte Bombe hoch genug im Kaminschacht an, dass er die Explosion hoffentlich überleben wird.

Den Zeitzünder stelle ich auf eine Minute und mache mich von dannen.

Also, ich versuche es. aber der zwischenzeitlich eingesetzte Regen hat das Dach so glitschig gemacht, dass meine Ledersohlen (warum hab ich bloß Anzugschuhe angezogen? Ach ja, Sandra…) abrutschen und der Schwung mich durch das Oberlicht direkt auf das große Bett fallen lässt.

Neben die Vampirin.

Verdammt.

Hier konnte ich dem Fatechip dann doch nicht widerstehen. Taktisch unklug, aber sehr lustig :)

Leider bestätigte sich: Der Chip wurde verbraucht, um aus der Situation wieder herauszukommen… ;)

“Sorry Schätzchen, bin auf dem Sprung. Ein Schluck auf den Abschied?” Wahrscheinlich versteht sie kein Deutsch, aber der Flachmann mit dem Weihwasser gibt mir wenigstens den Hauch einer Chance. Sie springt mich an wie eine Furie, kratzt, beisst und benimmt sich auch ansonsten nicht sehr ladylike. Gut, ich hab ja auch ihr Schäferstündchen/Mitternachtssnack gestört. Und die Uhr läuft, tick-tack, also verabschiede ich mich lieber schnell durchs Fenster.

Ich hatte mir (so dachte ich) echt Mühe gegeben, die Vampirin etwas intensiver zu beschreiben, als sehr sexy und sehr schön – um die widerliche lange Zunge und die Fangzähne noch etwas ekliger wirken zu lassen. Dazu der Freier, als korpulentes, sichtbar hochgradig erregtes Opfer – das ist aber offenbar nicht so eindringlich gewesen, wie erhofft.

Und beinahe genau in die Arme der unten herumlungernden Vampire. Gibts im verdammten Prag eigentlich auch noch normale Menschen?! Gerade eben halte ich mich noch an der Leuchtreklame fest (“Red Flesh Palace – GIRLS GIRLS GIRLS”) und verschanze mich auf dem Sims.

Schlechte Idee, wer hätte gedacht, dass diese Drecksvampire so gut klettern können? Ein paar Salven aus der Maschinenpistole halten sie zwar kurz in Schach, aber allmählich wird echt die Zeit knapp.

Ein paar Meter Seil hab ich noch. “I AM THE GODDAMNED BATMAN!” brülle ich den Mistkerlen entgegen, werfe den Wurfanker um den nächsten Laternenpfahl und schaffe es irgendwie, über die Blutsauger hinwegzuschwingen. Gut, die zeitgleiche Explosion des kompletten Dachstuhls könnte als Ablenkung auch irgendwie geholfen haben…

Ohne länger nachzudenken gebe ich Fersengas und verschwinde…

Vor der Kirche sieht es zwischenzeitlich nicht wirklich gut aus. Hat sich ja keiner an meinen Zeitplan gehalten, und Boris ist schon draußen. Zum Glück ist MacGregor doch kein ganz so großes Arschloch, und hat ihn mit einem Schutzschild ausgestattet. Und obwohl Boris dumm genug war rauszugehen, ist er doch schlau genug sich zu wehren – allerdings hat er es mit der örtlichen Obervampirin (nennt man die so?) zu tun, was nicht einfach zu sein scheint.

Aber nicht dumm: MacGregor kennt wohl die Schwachstellen der hiesigen Blutsauger und mit Erde kann man denen ziemlich was verpassen – und damit ist Boris ja nicht ungeschickt, und Edeltraut hat inzwischen auch ein paar Tricks drauf. Als ich endlich wieder zurück komme, sind die Vampire entweder tot oder verschwunden. Wir bleiben lieber nicht unnötig lange und machen uns auf zum Portal ins Nevernever.

In diesem Kampf wurde schon sehr schön mit der Deklaration von Aspekten gespielt. Orko definierte z.B. mittels Lore-Wurf, dass die Prager Red Court Vampire besonders anfällig gegen Erdmagie seien. Und es zeigte sich, wie gut es funktioniert, wenn man erst einmal Aspekte auf den Gegner legt, und diese dann in einem fulminanten Angriff zum Schadenssteigern nutzt.

Toll war auch die ingame-Begründung von Orko, warum wohl die Prager Erde so effektiv auf die Vampire wirkt: Der Golem, natürlich.

Nevernever, und meine Uhr geht nicht mehr.

Ich muss sagen: Die Nevernever-Version von Prag schlägt jedes Disneyland. MacGregor führt uns durch hübsche Gassen in denen anscheinend mittelalterliche Bauern Seite an Seite mit Feen in Bankeranzügen leben. Dennoch, die Szenerie ist verstörend genug um mich davon abzuhalten, hier länger als unbedingt notwendig zu verharren.

Aufgehalten werden wir natürlich trotzdem: Die Straße führt uns nach kurzer Zeit an einen Fluß. Auf dem Hinweg, erzählt uns MacGregor, gab es eine Brücke. Jetzt nur noch einen Haufen kläglicher Trümmer, und in der Luft hängt der Geruch von Salzwasser…

Boris wagt sich näher an den Fluß heran, während Edeltraut etwas von “Algen, ganz viele Algen, die die Brücke zerrissen” murmelt. Ich hab ja ein ganz mieses Gefühl bei der Sache, und werde prompt bestätigt, als ein Haufen glitschig-grüner Algententakel nach Boris greifen!

Ich bleib besser im Hintergrund, und überlass den Fingerwacklern das Feld – dass Kugeln dem Ding was ausmachen bezweifle ich eh. Boris wehrt sich mit seiner Magie, MacGregor sorgt mittels großen Luftblasen dafür, dass niemand ertrinkt und Edeltraut wirft sich mit dem Dolch ihrer Mutter auch ins Getümmel.

Zwei Gründe für Jans Feigheit: Zum einen taugt er echt gar nix im Nahkampf, zum anderen bereite ich hier vor, gleich einen Fate Chip abzugreifen

Die Luftblase diente auch dazu, die Feuermagie zu ermöglichen, mit der der Kelpie letztlich besiegt wurde. Übrigens arbeiten meine Spieler sehr selten mit Blocks… Die Brücke lag übrigens schon deutlich weiter weg von Prag in einem Teil des Nevernever, das an die Schottischen Highlands angelehnt war.

Als ich sehe, dass all diejenigen, die mich aus dieser Albtraumwelt herausholen können dennoch ziemlich in Bedrängnis sind, langt es auch mir. Mein Messer ist zwar kein so mystisches Hokuspokus wie das der Manske, aber anscheinend hilft es dennoch.

et voilá: Erfolgreich meinen Trouble “Lieber Allein” compelled und den eigenen Stapel wieder etwas aufgefrischt…

Wir haben uns auf ein Verständnis dieses Aspekts geeinigt, der etwa so lautet: „Ich bin lieber allein. Und wenn ich alleine wäre, wäre das nicht passiert. Jetzt muss ich deshalb … machen – gib mir einen Chip.“ – Im Übrigen sind Kelpies Feen, deshalb wirkte das Messer (aus Eisen) so gut.

Am Ende sehen wir alle aus, als hätten wir eine Wattwanderung im Regen gemacht, aber das Monster ist – tot? Vernichtet? Nur vertrieben? Ich habe keine Ahnung, meine Hilfe an dieser Stelle war wohl eh nur marginal. Eigentlich will ich nur noch eine heiße Dusche und wieder nach Hause – aber zum einen wird MacGregor für mich sicherlich keine Extratour machen, und dann ist da ja noch Sandra.

Zum Glück sind arrogante alte schottische Magieraristokraten eitel – nur damit er sich vor seinen Kollegen keine Blöße geben musste, wackelt MacGregor kurz mit den Händen, und Sekunden später sind wir alle wieder sauber. Und da sag einer, Magie sei zu nichts nütze.

Der Rest der Reise ist dann zum Glück friedlich, und ein großer Findling auf der Wiese entpuppt sich als Eingang zum Hauptquartier des Weißen Rates unter Edinburgh.

Unter Edinburgh, nachts

Wobei “unter” hier das wichtige Wort ist. Teilweise fühle ich mich an billige Stargate-Sets erinnert – ganz viele Gänge und Räume ohne Fenster, nur eben mittelalterlicher. Allerdings gibt es wenigstens so etwas wie eine Klimaanlage, und die Wandteppiche scheinen tatsächlich echt zu sein. Nobel, wenn auch etwas leer. Die verbleibenden Leute (Boris erklärt mir, dass ihre braunen Bademäntel, heh, nein, Roben sie als Zauberlehrlinge auszeichnen) erzählen was von einem großen Angriff des Roten Hofes der Vampire in Kairo. MacGregor lässt das so erscheinen, als ob die Sache in Prag dagegen ein Spaziergang war. Was zur Hölle?!

Während die anderen darüber diskutieren, ob und wie man den Leuten in Kairo zu Hilfe eilen könnte, such ich mir lieber etwas zu essen. Als ob wir da irgendwas reißen könnten – ich bin gut, aber so gut nun auch wieder nicht.

Was Jan hier unterschlägt: An dieser Stelle gab es massig nützlichen und guten Infodump und Mood setting. Wie steht der Krieg gegen den Roten Hof, wie sieht es in Edinburgh aus, und so weiter.

Ich fand mich da etwas heavy-handed. Anfangs überlegte ich noch, ob ich Alle nach Kairo schicken soll, um dort zu kämpfen – auch um Boris eine Chance zu geben, vor dem Rat zu glänzen. Aus zeitlichen Erwägungen habe ich mich dann aber dagegen entschieden.

Die Braunroben in der Kantine beäugen mich misstrauisch, anscheinend fällt man ohne Bademantel hier sofort auf wie ein bunter Hund. Ich überlege mir gerade noch, wie ich die Kinder einschüchtern kann, als ein mir viel zu bekanntes Parfüm von hinten um die Nase streicht…

Was Jan hier verschweigt ist eine völlig vergeigte Probe auf einschüchtern ;). In meiner Vorstellung war die „Kantine“ eine prächtiger Saal mit einem Buffet.

“Hast Du wirklich gedacht, Du könntest ewig vor mir weglaufen Sandra?”

An der Geschwindigkeit, mit der sich die Braunroben verzogen konnte ich zwei Dinge ablesen – der Klatsch hier in Edinburgh würde die nächsten Tage beträchtlich zunehmen – und was immer Sandra inzwischen darstellt, es war sicher nicht nur ein Übersetzungsjob.

… denn Sandra verscheuchte die Lehrlinge mit einer herrischen Geste.

Sie setzt sich mir gegenüber. Hab ich diese Roben doofe Bademäntel genannt? Sandra ließ da keinen verdammten Zweifel, dass das, was sie da anhatte, mit Frottee nix zu tun hat. Trotz der Tatsache, dass die schwarze Robe mehr verdeckte als mir lieb war, fragte ich mich unwillkürlich, was sie wohl darunter trug.

Das folgende Gespräch ist mehr Verhör als alles andere. Wir belauern uns gegenseitig und gönnen dem jeweils anderen kein Stück Information. Und ich bin eh viel zu sehr damit beschäftigt, cool zu bleiben, als dass ich ihr wirklich folgen könnte. Es ginge halt nicht anders damals. Und ich hätte ja auch Geheimnisse.

Bullshit.

Am Ende sag ich, was ich sagen musste, so dämlich es auch ist: “Gib zu, Du hast mich auch vermisst.”

Die Ohrfeige hab ich erwartet. Den Rest nicht.

Andere SL hätten mich hier viel mehr zappeln lassen. Kurzzeitig war ich etwas enttäuscht, dass das ja fast schon zu einfach war, aber glücklicherweise legt Karsten da später wieder schöne neue Steine und Fährten aus.

Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Ich finde ja, dass bei solchen „Romantik-Plots“ ein ewiges herumgehüner bei Pendragon und Chick-Flicks passt. Jetzt, wo die Beziehung zwischen den Beiden auch wieder ein „Zuckerbrot“-Element hat, jetzt wird es doch interessant. Vorher wäre mir das Risiko viel zu hoch gewesen, dass mir Jan wieder von der Angel geht. @JollyOrc – Du könntest
Sandra in einen geänderten Aspekt einbauen. Das wird sich lohnen…

Edinburgh, Sonnenaufgang

Am Trenchcoat fehlen einige Knöpfe, und der Turtleneck-Pulli ist auch nicht mehr ganz heil als ich wieder bei Edeltraut, Boris und MacGregor ankomme. Die Drei hatten sich glücklicherweise gegen einen Besuch in Kairo entschieden. Und endlich habe ich, dank Sandra, wenigstens einmal genauso viel Informationen über die Situation wie die anderen: Edeltrauts Mutter steht wegen Verdacht auf Kollaboration mit dem Feind unter Hausarrest, und die Edeltraut und Boris müssen sich wegen der Sache mit Syltaanas verantworten. Mit Pech fällt dem Merlin sogar ein, dass ich bei der Scheiße ja auch dabei war. Und mit der Art von Pech habe ich meine Erfahrung, man kann das also als ziemlich sicher ansehen.

Die Sache mit Syltanas geht so: Unsere „Helden“ finden eine Kiste mit einem riesigen Herz im Hamburger Hafen. Es handelt sich um ein Drachenherz, es befindet sich dort, um seine Eigenschaften (Reichtum, Gier, Macht und Stärke) auf die Stadt zu übertragen. Sie nehmen es mit und geben es dem Drachen zurück – der Drache, aus dem inzwischen die Insel Sylt wurde.

Es folgt eine längere, naja, Verhandlung. Irgendwie schaffen wir es, nicht als komplette Idioten dazustehen, aber einige Sachen werden sonnenklar: Der Merlin ist ein noch größeres Arschloch als MacGregor. Hätte ich gar nicht für möglich gehalten. Obwohl dem Zausel klar ist, dass er sowohl Boris, als auch Manske Senior prima in seinem beschissenen Krieg gegen die Vampire brauchen kann, will er sie nicht ohne irgendeine Gegenleistung vom Haken lassen.

Hier zeigt sich, wie wichtig soziale Fertigkeiten (Verhandeln, bluffen, Lügen, etc.) sind, bzw. wie schmerzlich ihr Fehlen bemerkt wird. Zum Glück kann man über Fakten-und-Aspekte-Erschaffen da einiges an Boni herausholen. Sonst säße jetzt wahrscheinlich die ganze Gruppe im wahrsten Sinne kopflos da…

Ja, meine Ass-kicker Gruppe hat auf der Seite nicht viel zu bieten. Höchstens etwas Täuschen und Einschüchtern.

Nach dieser ersten Verhandlungsrunde besuchen wir Edeltrauts Mutter in ihrem Hausarrest. Ich wäre ja von dem Fahrgestell beeindruckt, von den Fähigkeiten, die sie in den dreißig Jahren intimer Gefangenschaft mit dem Sexvampir Raith erworben haben muss – aber meine Gedanken sind woanders. Während die Manskes sich gegenseitig Familienstress machen, überlege ich, in was für ein Wespennest ich hier eigentlich geraten bin. Und wie ich am besten wieder herauskomme.

Uns allen ist klar, dass wir Boris hier im Rat unterbringen müssen. (Von Sandra erzähle ich den anderen lieber noch nichts. Das ist privat.) Und dass Edeltrauts Mutter nicht hinter Gittern gehört ist – naja, mir nicht unbedingt klar, aber Edeltraud würde sonst nie aufhören, darüber zu schimpfen, und Scheiße, die Frau kann einem Mann wirklich den Tag verderben wenn sie sauer ist.

Eines ist auf jeden Fall klar: Merlin war schon ziemlich fixiert auf die Syltvanas-Geschichte. Klar, so ein Drache bedeutet ziemlich viel Macht, und anscheinend haben wir ja einen Draht zu dem… uh, zu Syltvanas halt. Natürlich gibt es da für uns eigentlich nichts mehr zu holen, aber dass kann der alte Knacker ja nicht wissen.

Und da fällt mir der alte Witz ein, von dem Kerl, der mit einer vollkommen Fremden um 500 Euro wettet, dass er, uh, weiss ich nicht mehr, ich glaub Ihr Sternzeichen erraten kann, wenn er ihre Brust anfässt. Sie glaubt ihm nicht, aber für 500 Tacken lässt sie sich halt kurz an die Brust fassen. Er macht’s, ratet falsch, gibt ihr 500 Euro. Und geht dann zu seinen Kumpels, mit denen hatte er nämlich um 1000 Euro gewettet, dass er der Lady ohne Strafe mal an die Brust gehen kann.

Und genauso würden wir das mit dem Drachen und dem Merlin machen. Syltvanas ist doch total wettverrückt, und hey, Edeltraut und Boris können ihren Goldschatz darauf verwetten, dass sie die Manzke Senior aus dem bestbefestigsten Knast des Weissen Rates herauskriegen können – und zwar ohne Magie einzusetzen! Hah! Und als Gegeneinsatz müsste der olle Syltvanas eben einfach nur zwei Gefallen für den Merlin springen lassen. Einer geht dann für Boris Ratsmitgliedschaft drauf, der andere um die Manzke frei zu bekommen.

Die Wettverrücktheit wurde in einer der vorherigen Runden mittels Lore erfolgreich „behauptet“.

Dem Merlin sagen wir dann einfach, dass er zwei Gefallen bekommt, er aber als Zeichen des guten Willens, erst die Manzke frei lassen soll. Wenn er die Gefallen dann nicht bekommt, kann er ja den Boris einbuchten, dann steht er immer noch gut als Hardliner vor seinen Freunden da, und hat nix verloren.

Narrensicher sag ich Euch.

Sehen Edeltraut und Boris natürlich auch so, und MacGregor lässt sich sogar breitschlagen für die beiden die Verhandlungen zu übernehmen.

Narrensicher.

Ich habe in letzter Zeit deutlich zuviel Leverage geschaut, und Karsten war begeistert genug, so dass ich uns eine ernsthafte Chance ausrechnete.

Ich hab nämlich in letzter Zeit auch deutlich zu viel Leverage geschaut.

Ok, zuerst müssen wir aber den Merlin überzeugen. Ihm klar machen, dass wir es ernst meinen, dass wir tatsächlich liefern können, und dass ihm diese “Gefallen” auch wirklich etwas wert sind. MacGregor ist eigentlich dafür die beste Option, schließlich kennt er den alten Knacker schon eine Weile. Die beiden sind ganz offensichtlich nicht die besten Freunde (Schotten und Engländer halt), aber sie arbeiten wohl schon länger zusammen.

Länger. Also, schon so hundert Jahre oder so. Und dabei sieht MacGregor nicht mal älter aus als ich! Verfluchte Fingerwackler, so langsam wird mir klar, was Sandra meinte. Wie alt ist sie eigentlich wirklich? Und kann man das, was die da haben als Pille kriegen? Ich bin zu gut, um an Altersschwäche zu sterben!

Noch ziehrt sich MacGregor allerdings etwas. So sehr er dem englischen Bastard eins auswischen will, natürlich will er auch etwas dafür sehen. Ich versuche ihn sanft in Richtung Manske Senior zu schubsen, und erwähne das mit den dreißig Jahren und dem Sex-Vampir. Sex Sells!

Oder auch nicht.

Wir hatten da echt prima Wortwechsel in der Unterhaltung, inkl. kleinen sozialen Kämpfen über Deceit/Empathy Würfe, leider kann ich mich an die Dialoge nicht mehr erinnern… :(

Irgendwie bekommen wir ihn schließlich trotzdem rum, und er dann den Merlin. Verfluchte Scheiße, dieser Plan scheint tatsächlich zu funktionieren. Vorausgesetzt Syltvanas geht auf die Wette ein, aber warum sollte er das nicht tun? Wie gesagt, er ist doch völlig wettverrückt, richtig?

Also wieder auf in dieses Nevernever-Dingens und von dort nehmen wir die Abkürzung nach Haithabu. Trotz dieses Algententakel-Dingens, diese Art zu Reisen schlägt zumindest immer noch RyanAir.

Syltvanas Hort, später Nachmittag

Syltvanas empfängt uns in seinem Horst. Hort? Egal. Zum Glück keine Tropfsteinhöhle mit Fackeln, sondern eher eine Art Junggesellenbungalow das mir verdächtig nach einer (teuren aber geschmacklosen) Variante von Hugh Hefners Bude ausschaut. Deckenhohe Fenster, schicker Flachbildfernseher, Liegelandschaft, Kaminfeuer, Wohnzimmerbar.

Ich finde es ja großartig, dass JollyOrc hier so sehr ausschmückt, was ich nicht erzählt habe. FATE eben: Hier muss der SL nur die Worte „Bungalow“ und „Luxus“ fallen lassen – den Rest erledigt das Kopfkino!

MacGregor übernimmt die Verhandlungen, wie geplant. Zunächst scheint er etwas eingeschüchtert von Syltvanas zu sein, und hey, ich kanns ihm nicht verübeln. Aber er fängt sich, und erklärt die Wette. Und man glaubt es kaum, aber dieser Schotte kann verdammt gut lügen, er schafft es tatsächlich, Syltvanas die Wette schmackhaft zu machen.

Ich sagte es ja: Narrensicher.

Hier schlug unsere fehlende Sozialkompetenz zu, und Orko bekam viel-viel Spotlight. Allerdings war das dennoch eine Gruppenaktion, weil wir ihm fleißig soufflierten, und so alle Spaß hatten.

Naja, soufflierten? Das auch, aber bis auf Boris (dessen Spieler Xermides einfach die Würfel sehr sehr unhold waren) haben alle zudem fein mit Manövern und Behauptungen Fakten geschaffen, um Ayden zu unterstützen. Sonst kann man einen Drachen nicht beschnacken. Aber mit in jeder Runde sechs kostenlosen Punkten Bonus von den Mitspielern hat der gute Ayden ordentlich gerockt!

Und da fährt uns Syltvanas in die Parade. Einen, nein, gar zwei Gefallen als sein eigener Einsatz? Gibt’s nicht. Wie wärs mit Drachenfeuer stattdessen? Verflucht, MacGregor schaut schon ganz begierig.

Die Verhandlungen gehen weiter, aber irgendwie scheinen alle das Ziel aus den Augen verloren zu haben. Klar, für die Fingerwackler hier scheint die Sache mit dem Drachenfeuer ungefähr so verlockend zu sein, wie für mich die neueste Ausgabe von Guns’n’Babes Monthly. Und Syltvanas verfolgt natürlich mehr als nur ein Ziel. Offenbar ist er sauer, dass er noch keinen treuen Lakaien hat, während die kleine Melanie ja fröhlich mit diesem anderen Drachen flirtet.

Ich sag Euch, mein Plan hat sich langsam in einen brennenden Haufen Exkremente verwandelt, und irgend jemand hat schon den Ventilator angeworfen. Eigentlich kanns mir ja egal sein ob die Manske frei kommt, oder ob Boris jetzt in den Rat aufgenommen oder einfach nur einen Kopf kürzer gemacht wird. Aber die beiden sind mein Ticket um mich häufiger in Edinburgh herumzudrücken….

“Hey, Syltvanas – Du willst einen Botschafter? Gib den Beiden ihre Gefallen, und Du kriegst mich.”

Sicherlich nicht die klügste Idee die ich je hatte, aber heißt es nicht, dass Drachen Ihre Leute mit Macht und Langlebigkeit ausstatten? Genau das, was ich brauche, um die Sache mit Sandra richtig angehen zu können.

Syltvanas schaut mich an und schnippt mit den Fingern. Um uns herum scheint die Zeit stillzustehen. Edeltraut ist mitten in der Bewegung erstarrt, und MacGregor steht mit offenen Mund da und sieht ziemlich dämlich dabei aus.

Garantiert nicht die klügste Idee die ich je hatte!

Wir verhandeln. Was kann ich ihm bieten, was will ich, was hat er davon. Abstriche werden gemacht. Wir werden uns einig. Und dann erinnere ich mich an diesen Science Fiction Roman den ich vor Jahren mal gelesen hab, “Trau keinem Drachen.”:

“Gut” brummt Syltvanas, “fangen wir mit einem Vertrauensbeweis an: Bring mir diese Sandra, dann beginnt unser Pakt.”

Scheiße!

Edinburgh, ein paar Tage später

Als ich wieder einen klaren Gedanken fassen kann, sind wir schon zurück in Edinburgh. Mein perfekter Plan liegt zwar nicht vollkommen in Trümmern, aber statt zwei offenen Gefallen, können wir dem Merlin nur zwei Mal Hilfe gegen den Roten Hof der Vampire bieten. Niemals wird er sich darauf einlassen!

Was bleibt uns, als es dennoch irgendwie zu versuchen?

Natürlich sieht der Merlin, dass Syltvanas Hilfe in diesem verfluchten Krieg wirklich hilfreich sein könnte. Ich meine, bei unserem ersten Besuch hier, haben wir all die Verletzten gesehen, der Weiße Rat steht mit dem Rücken an der Wand. Aber der englische Bastard will mehr, und formal ist er im Recht – das ist nicht das, was wir versprochen hatten.

Was folgt ist zäh. Zäher als zu lang gebratenes Steak von einem uralten Bullen. Was uns rettet, ist die Tatsache, dass wir bei Syltvanas Wiedererweckung dabei waren. Ohne, dass die alte Echse es verhindern konnte, waren wir geistig mit ihm verbunden. Und Boris hatte dabei etwas über Syltvanas gelernt: Den kompletten verdammten Namen dieses schuppigen Mistkerls.

Gut, dass solche Viecher keinen Personalausweis haben ist mir klar, aber erst als Edeltraut mir erklärt, dass es für die Übernatürlichen die Sache mit dem echten Namen eine große Sache ist. Wir wissen also Syltvanas Rumpelstilzchen sozusagen. Yippijayay Schweinebacke!

Uh, das wurde hart. Wir stackten fröhlich Boni und Aspekte, und schafften trotzdem nicht die Würfe. Und wie gesagt, uns fehlte echtes Verhandlungsmaterial, bis mir irgendwann die Sache mit dem Namen einfiel, und wir das mittels Lore-Wurf retconnen konnten.

Und verdammt, so wie Merlins Augen glänzen, als wir ihm den Vorschlag machen, ist mir klar, dass wir die verfluchte Goldmine getroffen haben.

Der Rest ist schon fast Routine. Um sicherzugehen führe ich Edeltrauts Mutti durch ein altes Abflussrohr aus der Festung des Weißen Rates heraus, keine Magie und all das, right?

Ich weiß nicht, wie gut es gelungen ist, aber eigentlich sollte das so laufen: Spieler kommen zu Syltanas zurück. Der fragt: Und? Wie habt ihr die Gefangene aus den Hallen befreit, aus denen doch kein Weg ohne Magie hinausführt? Die Spieler, bis eben erfreut, die Gefangene überhaupt befreit zu haben: „Oh je, oh nein! Dazu haben wir uns ja noch gar keine Gedanken gemacht! – Rückblende (das alte Abflussrohr) – Blende wieder in die Szene: Jan erzählt stolz, wie er die Gefangene befreit hat. Das ist vielleicht nicht so angekommen, wäre aber sehr „leveragig“ gewesen.

Syltvanas fragt bei der Wettauflösung sofort nach Sandra, aber damit kann er mich mal. Sag ich ihm natürlich nicht, bin ja nicht vollkommen blöd.

Oh ja, Drachen sind ja bekannt dafür, gerne ausgetrickst zu werden…

Und hey, morgen bekommt Boris dann endlich seine eigene Schwarzkutte, und danach gibt es bestimmt noch eine Party. Und eines weiß ich: Sandra lässt sich keine Party entgehen…

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