Oliver Kersting präsentiert uns seine neue Setting-Welt samt Fate-Regelerweiterungen:
Ich wollte auf der einen Seite sollte eine Fantasywelt erschaffen, in der auch auf Regelseite die Düsternis der Zauberei eingefangen wird. Die reale Welt ist schon voller Geschichten und Märchen über finstere Magie, in den Hexenprozessen der frühen Neuzeit genügte ein mit zwei Köpfen geborenes Kalb oder eine verhagelte Ernte, um die am meisten gehasste Person des Ortes grausam hinzurichten. Um wieviel bedrohlicher muss eine Welt sein, in der diese Zauberei keine Phantasterei, sondern Wirklichkeit ist? Doch solch eine Welt und solch eine Zauberei muss im Rollenspiel spielbar sein, und das, ohne dass der zaubernde Charakter gleich selbst der bösartige Finsterling ist, für den das Umfeld ihn bzw. sie hält. Ich wollte also eine Welt mit den passenden Fate-Regelerweiterungen entstehen lassen, die das abbildet: Eine Welt, in der die Magie gefährlich ist und auch das Umfeld der Zaubernden in Gefahr bringt, in der die Leute die Magierin oder den Hexer fürchten und nicht bewundern.
Doch es geht noch um mehr: Indem die ursprünglich für die Zauberei gedachten Regelelemente, z. B. die Ortskonsequenzen, auch für weltliche Charaktere nutzbar gemacht wurden, bietet sich hier die volle Bandbreite an Fantasy-Geschichten. Mutige Charaktere, Krieger, Diebe und Zauberer, deren Taten wenn schon nicht die Welt retten, so doch ihre Spuren hinterlassen werden. Gerade dadurch, dass die Taten der Charaktere wortwörtlich Konsequenzen haben können, die auf sie zurückfallen können und werden, bietet es sich an, eine bunt gemischte Gruppe von Charakteren durch eine Sandbox-Kampagne zu führen.
Der Boden dröhnte, als die krallenbewehrte, gräulich-braune Klaue des Lindwurms mit dem nächsten Schritt auf dem Pflaster des kleinen Marktplatzes aufsetzte. Die schmalen, spitzen Fachwerkhäuser wackelten, als das Ungetüm brüllte.
Nasíca’a verbarg sich hinter einem alten Fass, das als Regentonne neben einem der Häuser am Rande des Platzes stand.
Der Wind ließ die Fensterläden klappern, die die geflohenen Anwohner nicht richtig verschlossen hatten.
Da war etwas an dem schuppigen Biest, das merkwürdig war. Ja, dieses violette Leuchten auf der Stirn. Etwas war dort befestigt. Jemand hatte dort etwas befestigt.
»Rieslind! Lenk das Decksvieh ab!«, schrie die meridéische Diebin.
Als Antwort runzelte die Zwybruckhener Kriegerin die Stirn und nickte Nasíca’a stumm zu. Das gefiel ihr überhaupt nicht. Bei jedem Plan musste sie ihren Körper in die Waagschale werfen.
»Also gut«, grummelte sie, fasste stärker um den langen Griff ihres riesigen Schwertes und stapfte mitten auf den Marktplatz.
»Hey, Mistvieh!«, schrie sie, »hier bin ich! Komm und …«, sie zögerte, »komm und … friss mich!«
Sie ruderte mit den Armen.
Auch Njœric hatte sich mit der Diebin abgesprochen und arretierte die Kurbel auf seiner Armbrust. Ein wildes Sirren und metallisches Rattern erklang, als er wie verrückt kurbelte.
Die Bestie riss das Maul auf. Erst sah man ein rötliches Glimmen im geöffneten Rachen, doch rascher als Rieslind lieb war, wurde es orange, gelb und schoss schließlich dröhnend aus dem zahnbewehrten als Flammenstrahl auf sie zu.
Sie rannte zur Seite. Dann ein flacher, weiter Sprung und eine enge Rolle.
Es wurde schmerzhaft heiß an ihrer Kehrseite, als das Feuer über sie hinweg schoss. Sie aber blieb unversehrt, was man jedoch nicht von dem Haus an der Ecke sagen konnte. Der flammende Atem des Lindwurms schlug dort ein und setzte es in Brand.
Der Nyrderlænder Armbrustschütze nahm die Kurbel ab und legte an. Schuss!
Erneut brüllte das Ungeheuer auf, als der schwere Eisenbolzen mit Bleikern seinen Panzer durchschlug.
Nasíca’a rannte los und wollte auf den Rücken des Drachenartigen springen, doch das Monster ruckte und zuckte herum. Pfeifend schoss dessen Schweif über sie hinweg.
Adwheard schüttelte den Kopf: »So wird das nichts!«
Den Runenstab seines verstorbenen Meisters in der einen legte er die andere Hand auf das Pflaster des Marktplatzes.
Uralte Worte verließen seine Lippen, als er mit geschlossenen Augen seine Finger in das Kopfsteinpflaster bohrte.
Die Erde bebte.
Rieslind wurde zu Boden geworfen.
Das Straßenpflaster gab unter den Klauenfüßen des Ungetüms nach; knirschend und krachend brach das Biest in den Boden ein, bis schließlich auch die Fersensporne im Boden versanken. Doch im Beben auch stürzten zwei Häuser ein. Eines war das Haus des Bürgermeisters. Dann verebbte das Beben. Der Lindwurm versuchte, einen Schritt zu gehen, doch er konnte nicht. Er steckte fest.
Nasíca’a stürmte seinen gezackten Rücken nach oben und griff nach dem leuchtenden Edelstein, der auf seiner Stirn saß.
Ihr Gesicht lief puterrot an, als sie daran zog. »Er sitzt zu fest…«, ächzte sie.
Mit einem lauten Klicken löste sich ein weiterer Eisenbolzen aus der Armbrust des Nyrderlænders. Er schoss durch den Hals des Monsters an der Diebin vorbei.
Der riesige Leib erschlaffte und klatschte zu Boden.
»Pass doch auf!«, schrie die junge Frau.
Die riesengroße Kriegerin reckte sich, sah sich um: »Und wie erklären wir dem Bürgermeister das mit seinem Haus?«