Wofür stehen die Turbo-Fate-Methoden?

Turbo-Fate ist der kleine, schnelle Bruder des typischen Fate Core-Systems. Als solches bietet es sich an, um Neulinge in Fate oder das Rollenspiel im Allgemeinen einzuführen. Da gibt es nur ein Hindernis: Viele finden das Konzept der Methoden zunächst schwierig. Denn Methoden fragen nicht, was man tut, sondern wie man etwas tut. Diese Denkweise ist vielen Spielern nicht so ganz eingängig. Meistens machen wir es anders.

(Meiner Erfahrung nach ist das ein größeres Problem für Quereinsteiger. Völlige Rollenspielneulinge haben einfach noch keine Erwartungen, denen der Ansatz der Methoden widersprechen könnte.)

 

Um diesem Problem zu begegnen, wurden schon ein paar Ansätze vorgeschlagen, wie man Methoden eingängig erklären kann (ich empfehle unter anderem den Aufsatz zu Risiken von Rob Donoghue: http://walkingmind.evilhat.com/2018/01/17/risks/, der von uns in kürze in einer deutsche Übersetzung bereit stehen wird.)

In diesem Text folgt nun eine Erklärung, mit der ich große Erfolge bei Neulingen hatte. Es ist also meine persönliche Deutung der Methoden und wie man diese vermitteln kann.

 

Ich teile dafür die sechs Methoden in drei Gegenpaare ein, um sie eingängiger zu machen:

 

1) Kraftvoll vs. Sorgfältig

Kraftvoll ist jeder Ansatz, der sprichwörtlich mit dem Kopf durch die Wand will. Das kann (muss aber nicht) der Einsatz von roher Gewalt sein, bspw. Muskelkraft oder ein Feuerball. Aber auch, jemanden einzuschüchtern, wäre eine sehr direkte Methode.

Wenn Indiana Jones den Sägelschwinger einfach erschießt, anstatt zu fechten, dann ist das kraftvoll. Wenn Lev Andropov (der russische Kosmonaut in Armageddon) eine Gerät repariert, indem er darauf eindrischt, dann ist das auch kraftvoll. Und eine Tür einzutreten, natürlich erstrecht.

 

Sorgfältig ist es dagegen, wenn man geplant, durchdacht und (meistens) langsam vorgeht. Auch hier geht es nicht nur um körperliche oder nur um geistige Tätigkeiten.

Wenn MacGyver eine aufwendige Maschine baut, geht es dabei sorgfältig vor. Das CSI untersucht Tatorte sorgfältig nach Spuren und verhört Zeugen ruhig und sorgfältig. Wenn Mr. Spock jemanden mit strukturierten und sachlichen Argumenten überzeugt, dann zählt das ebenfalls.

 

2) Flink vs. Scharfsinnig

Bei diesem Kontrast geht es immer um Schnelligkeit: Wer flink vorgeht, ist körperlich schnell.

Wenn Buffy Summers einem Vampir aus dem Weg springt, dann geht sie flink vor. Wenn Forrest Gump mal wieder läuft, dann geht er natürlich ebenso flink vor. Aber auch, die Drähte einer Bombe noch schnell genug durchzuschneiden, wäre eine flinke Aktion.

 

Wer schafsinnig handelt, setzt dagegen auf mentale Schnelligkeit. Es geht darum, schnell zu denken und/oder effizient zu denken – also die richtige Antwort beim ersten Anlauf zu finden. (Wegen des Namens dieser Methode kommt es gelegentlich vor, dass sie mit der Eigenschaft verwechselt wird, die in Fate Core und anderen Systemen Wahrnehmung wäre. Das ist jedoch nicht richtig. Wahrnehmen kann scharfsinnig sein, wenn es darum geht, etwas schlagartig zu erkennen. Aber etwas gründlich zu betrachten, wäre beispielsweise sorgfältig.)

Auf dem ersten Blick eine Situation zu erfassen, erfordert Sherlocks Holmes’ Scharfsinn. Wenn Daniel Jackson  sofort die richtige Übersetzung für einen Begriff finden muss, entspräche das der scharfsinnigen Methode. In einem Streitgespräch eine schlagfertige Antwort zu finden, ist ebenfalls scharfsinnig.

 

3) Tollkühn vs. Tückisch

Das letzte Begriffspaar dreht sich um die Aufmerksamkeit. Wer tollkühn vorgeht, ist laut oder pompös, offen und gelegentlich dreist.

Je mehr man sich wie ein Musketier fühlt, desto deutlicher geht man tollkühn vor. Aber auch inspirierende Reden zu schwingen wie ein großer Anführer, ist vermutlich tollkühn.

 

Tückisch dagegen ist das Gegenteil. Wer die tückische Methode anwendet, der möchte nicht erkannt, durchschaut oder entdeckt werden.

Wenn Darth Vader den Rebellen eine Falle stellt, dann kann er damit tückisch Han Solo fangen. Jemanden zu belügen oder zu bestehlen, ist auch klar tückisch. Und wenn Hagen Siegfried in den Rücken sticht, dann ist das ein tückischer Angriff.

 

Unterschiedliche Ansätze sind oft unterschiedlich schwierig.

Ein weiteres Verständnisproblem ist, dass man häufig mehrere Methoden auf ein Problem anwenden kann. Was unterscheidet sie also, wenn man immer einen Grund finden kann, etwas auf seine Weise zu machen? Meistens die Frage der Schwierigkeit.

Ein simples Beispiel wäre das Öffnen einer verschlossenen Tür. Man könnte sie kraftvoll eintreten, tückisch das Schloss knacken oder sorgfältig einen Flaschenzug konstruieren, um die Tür einzureißen. Aber je nachdem, wie die Tür konstruiert ist, werden diese drei Ansätze sehr unterschiedlich schwierig ausfallen. Eine schwere Tür mit einem simplen Schloss ist sehr schwierig einzutreten, aber einfach zu knacken. Und der Flaschenzug liegt vielleicht irgendwo dazwischen.

 

Warum überhaupt Methoden?

Auf den ersten Blick scheint es komplett unoffensichtlich, mit Methoden zu arbeiten. Es wirkt unsinnig, zu fragen, wie ein Charakter etwas tut, anstatt zu fragen, was er tut. Der Grund für diese Verwirrung ist allerdings sehr einfach: Autoren sind professionelle Lügner. Ob sie Romane oder Drehbücher schreiben, Autoren täuschen den Konsumenten.

Das soll gar kein Vorwurf sein. Natürlich schreiben sie nicht die Wahrheit, sonst schrieben sie ja ein Sachbuch bzw. eine Dokumentation. Bei der Entwicklung der Fiktion wenden sie einige Techniken an, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind, weil gute Autoren eben gut im Täuschen sind.

 

Was meine ich damit? Auf den ersten Blick sollte der Erfolg einer Figur damit zusammenhängen, welche Fähigkeiten sie hat. Das ist die Illusion, die verkauft wird. Schaut man aber mal kritisch hin, stellt man fest, dass es wegen ihrer Funktion in der Geschichte meistens nur darum geht, wie die Figur etwas angeht.

Darth Vader sollte durch die Macht so fähig sein, dass ihm viele Taten gelingen. Doch Erfolg hat er fast nur, wenn er tückisch vorgeht. Will er dagegen kraftvoll Prinzessin Leia erpressen, scheitert er trotz all seiner Fähigkeiten.

Der Doktor aus Doctor Who ist absolut übermächtig, aber seine Pläne gelingen nicht, wenn er direkte Konfrontation versucht (kraftvoll vorgeht). Denkt es dagegen schnell (scharfsinnig) ist er sehr viel besser. Und hat er gar die Zeit, zu planen (sorgfältig), dann können sich die Daleks warm anziehen.

Jack Sparrow kann offenbar nur tückisch oder tollkühn vorgehen. Trotz seines offenkundigen Intellekts klappt es nicht mit der Sorgfalt oder dem Scharfsinn.

 

Und genau deshalb wendet Turbo Fate Methoden an: Weil Fiktion oft so funktioniert. Einer der Fate-Erfinder, Fred Hicks, erklärte einmal, Fate als System simuliere durchaus, aber es simuliere nicht die Realität, sondern wie Fiktion funktioniert.

 

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One comment

  • Volker Mantel 25. April 2018   Reply →

    Schöner und hilfreicher Beitrag, den ich mir bestimmt zu Nutzen machen werde, wenn ich das nächste Mal Turbo Fate erklären muss.

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