Großgefechtslagen

Auf dem Tanelorn-Treffen hatte ich bei der von „mieser Wicht“ geführten Malmsturm-Runde großen Spaß. Den Großteil der Zeit haben wir damit verbracht, eine Befestigungsanlage gegen unendliche Horden von Untoten zu halten. Es war ein epischer Fight, der ganz großartig von Orko in einem Gedicht (!) als Diary beschrieben wurde.

Im Anschluss haben wir darüber diskutiert, welche Vor- und Nachteile die von „mieser Wicht“ gewählte Abbildung der Schlacht hatte. Seitdem habe ich noch etwas mehr über dieses Szenario nachgedacht. Alles, was im Folgenden geschrieben steht, baut auf dem von „mieser Wicht“ genutzten Modell für Massenschlachten und dem Gespräch mit ihm und den anderen Teilnehmern der Runde auf, denen hiermit ganz herzlich gedankt sei. Ganz nebenbei erwähnt, es war eine epische Runde!

„Es mag der Tag kommen, an dem wir nüchtern nach Hause gehen müssen. Aber dieser Tag wird nicht heute sein!“
– Falke356

Zielsetzung

Die Charaktere sollen in einer Schlacht rocken können. Dabei müssen Sie taktische Entscheidungen treffen und sollen zusammenarbeiten. Die Schlacht soll zudem in einem engen Zeitfenster abgehandelt werden. Es soll möglichst spannend sein und evtl. sogar gefährlich für die individuellen PCs.

Reduktion auf eine Handlung pro Runde – mit Unterstützung

Die schrecklich Meute sie prallte gegen der Helden Schild
Und mit gewaltigem Schlag schlug man die Gegner zurück
Doch am Horizont kam neuer Schrecken entgegenrückt
Ein Untier wie vier Mann in totem Fell und Augen rot und wild
Ein Kampf entbrannte, das Schicksal der Welt zu retten gewillt
Die Helden schlussendlich Untier und Heer unter sich zerdrückt
– Orko

Das im Folgenden dargestellte Modell hat „mieser Wicht“ gewählt. An sich reduzierte er damit den Kampf auf eine vergleichende Probe, die ein PC nach Wahl der Spieler durchführte. Alle anderen PCs konnten vorher durch Manöver frei nutzbare Aspekte generieren.

Beispiel: Lendard macht einen Ausfall. Er würfelt auf Nahkampf und kann die Aspekte „Sichtschutz durch Qualm“, „Deckungsfeuer“ und „Brandpfeile“, die seine Mitspieler erzeugt haben, kostenlos nutzen.

Gegen ihn würfelt der abstrakt zu einem Charakter zusammengefasste Gegner, die Differenz wird als Stress verbucht. Der von der Spielergruppe erzeugte Stress senkt für alle 5 Punkte erzeugten Stress den Angriffwert des Gegners um 1. Damit wird die verringerte Zahl der Gegner abgebildet. Der Stress zu Lasten der Spieler schlug auf alle Spieler durch. Siegte also der Gegner mit einem Erfolg von vier, erhielt jeder PC vier Punkte körperlichen Stress. Eine Karte kommt nicht zum Einsatz, die eingesetzte Fertigkeit und die geschaffenen Manöver erzählen, was auf dem Schlachtfeld passiert. Das konkrete „wo?“ bleibt offen.

Vorzüge:

  • Definitiv episches Gefühl, auch durch die extrem hohen erzielten Werte der Würfe. Die Gegner griffen z.B. anfangs mit +12 an.
  • Schöne Szenen, die durch die gemeinsame Erzeugung der Aspekte und deren Ausnutzung geschaffen wurden

Nachteile:

  • Keine erkennbare zeitliche Grenze
  • Deutliche Bevorzugung von kampforientierten Charakteren – auch weil diese mehr körperlichen Stress vertragen haben
  • Reduktion des Konfliktes auf die physische Ebene
  • Gewisser Zwang zur Wiederholung – irgendwann wird es schwer, sich mit der Fertigkeit „Täuschung“ noch eine neue Anwendung auszudenken – mit Nahkampf hat man das Problem nicht, da die Anwendung immer gleich ist. Dennoch kann auch hier zu viel Wiederholung ermüdend wirken.
  • Kaum taktische Optionen: Was man genau tat, blieb ohne Auswirkungen. Faktisch kam es nur auf die Höhe des Wurfes an. Deshalb gab es eine starke Fokussierung auf die jeweils besten (also in der Pyramide am höchsten eingeordneten) Fertigkeiten. Dieses Problem verschärfte sich dann noch, als der Mindestwert für die Erzeugung eines Aspektes durch ein Manöver von drei auf fünf stieg. Insbesondere unser Magier, der Zaubern nur auf +2 hatte, konnte danach seine Magie faktisch nicht mehr einsetzen.

Einheiten des Feindes als Miniongruppen zusammenfassen

Anders als im Beispiel oben, wo ja der gesamte Gegner zu einem Charakter zusammen gefasst wurden, meine ich damit eine größere Anzahl (vielleicht fünf, oder Gruppengröße+2) von gegnerischen „Einheiten“ oder „Monstern“. Diese können einzeln angegriffen werden und wandern auch auf der Karte herum, um die Variabilität der taktischen Situation zu erhöhen. Dazu gehört dann auch eine in Zonen eingeteilte Karte.

Beispiel: Trolle mit Rambock

Aspekte: „Trolle sind stark“, „Trolle sind zäh“, „Trolle sind dumm“

Nahkampf +2, Steine Werfen+1, Ausdauer +2, Entschlossenheit +1, Rambock +3, Beleidigen+1

Körperlich: OOOOO OO
Mental: OOOOO O

Die Trolle versuchen, das Tor zu erreichen und zu durchbrechen. Sie beginnen mit einem Fatepunkt und können vier Konsequenzen nehmen, bevor sie fliehen.

Vorzüge:

  • Stärkeres taktisches Vorgehen (räumliche Dimension)
  • Individuelle Stärken der Einheiten („Wir dürfen nicht zulassen, dass die Trolle das Tor erreichen! Das hält es nicht aus!“ „Die Bogenschützen sind schlecht im Nahkampf“). Sie könnten z.B. über Distanzangriffe, Magie, Belagerungsmaschinen, etc. verfügen.

Nachteile:

  • Zwang zur Zusammenarbeit sinkt
  • Immer noch keine zeitliche Begrenzung

Unklar bleibt, ob Charaktere, deren beste Fertigkeiten nicht kampforientiert sind, in diesem Setup glänzen können.

Zeittrack

„Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen“
— Wellington

Der Zeittrack ist eine Modifikation für die anderen Szenarien, keine eigene Lösung. Ich stelle mir vor, dass die Schlacht eine zeitliche Komponente bekommt (haltet das Tor, bis Verstärkung kommt).

Technisch könnte man einen Zeittrack haben, der z.B. 5 Kästchen umfasst. Bis dahin muss etwas entweder geschehen oder verhindert worden sein. Jede Runde wird ein Kästchen abgestrichen. Evtl. kann eine besondere Leistung – vielleicht ein besonderer Erfolg – ein zusätzliches Kästchen erzeugen.

Vorzüge:

  • Ende ist erkennbar
  • Keine Würfelorgie
  • Spannung durch Zeitkomponente

Nachteile:

  • Zusätzliche, in-game zu rechtfertigende Meta-Komponente (das empfinde ich persönlich nicht als Nachteil, aber natürlich könnte man das)
  • „Schaffbarkeit“ der Herausforderung für SL schwieriger zu kalkulieren.

Im Ergebnis kann man diese Lösung z.B. mit der von „mieser Wicht“ gewählten Methode kombinieren. Damit erhält die Schlacht ein natürliches Ende nach einer festen Anzahl von Runden und gleichzeitig ein weiteres Spannungsmoment. Als problematisch empfinde ich lediglich, dass es schwer vorherzusagen ist, wie groß die Chance der Gruppe ist, innerhalb des Zeitlimits den entsprechenden Erfolg zu erzielen.

Verteidigungsanlagen als Charakter

Im von „mieser Wicht“ erdachten Szenario gab es einen Palisadenwall und ungesicherte Öffnungen, in denen sich die Soldaten ohne Schutzwall verteidigen mussten. Denkbar wäre es aber jedenfalls auch, Verteidigungsanlagen Werte zu geben, z.B. so:

Palisadenwall mit Wachsoldaten

Aspekte: „geschützt“, „überlegene Position“, „knappe Munition“

Verteidigen +2, Ausfall+1, Bogenschützen +2, Entschlossenheit +1, Ausdauer +3, Einschüchtern+1

Körperlich: OOOOO OOO
Mental: OOOOO O

Ein Palisadenwall hat anfangs einen Fatepunkt und kann zwei Konsequenzen nehmen, bevor er fällt.

Vorzüge:

  • Klare Werte, eindeutig eintretende Siegbedingungen

Nachteile:

  • Vielleicht besser als „Gegner“ geeignet, könnten aber auch auf der Seite der Verteidiger kämpfen.

Heldengruppe als Gesamtcharakter

Eine Idee, die ich aus Diaspora entnommen habe: Alle PCs in einen Gesamtcharakter zusammenfassen und aus den besten Werten der einzelnen Charakteren eine eigene Pyramide bauen. Damit werden Gegner und Heldengruppe auf jeweils eine Handlung pro Runde reduziert und die Werte müssen nicht nach oben skaliert werden – ein Angriff von +5 bleibt „großartig“, statt mit Werten wie +12 hantieren zu müssen, wie es „mieser Wicht“ tat. Dieser Ansatz kann mit den anderen Ideen oben kombiniert werden, insbesondere mit den Verteidigungsanlagen als Charakter, Zeittrack und Miniongruppen.

In jeder Runde wird auf der „Erzählebene“ viel gemacht, jeder Charakter handelt. Mechanisch wirkt sich aber nur die eine Handlung des Gesamtcharakters aus.

Vorzüge:

  • Wenige Handlungen pro Runde
  • perfekter „Sitz“ des Systems
  • Erfahrungen von SL und Spielern im regulären Kampf können 1:1 übernommen werden

Nachteile:

  • Wenig Raum für Manöver
  • Sehr erzähl-lastig, kaum Unterstützung durchs System (Aspekte werden wohl selten als Aktion erzeugt)
  • große Nähe zum regulären Kampf, wodurch das Besondere der Schlacht verloren gehen könnte (also eigentlich mechanisch langweiliger als der reguläre Kampf).

Auch hier kann wieder mit den anderen Methoden kombiniert werden.

Abstraktion nach Art des Social Combats von Diaspora

Den sozialen Kampf aus Diaspora habe ich bereits ins Deutsche übersetzt.

Eine Karte könnte so aussehen:

Schlacht als Sozialer Kampf

Anklicken zum Vergrößern

Vorzüge:

  • automatische Dramaturgie
  • gute Unterstützung eines erzählspielerischen Ansatzes

Nachteile:

  • hoher Abstraktionsgrad

Platoon Combat nach Diaspora

Die Regeln für den Platoon Combat sind noch auf Englisch.

Vorzüge:

  • sehr brettspielig
  • Einbindung der PCs
  • gute Skalierung

Nachteile:

  • sehr brettspielig
  • Anpassungsbedarf auf andere Settings als SciFi

Fazit:

Aus den Erfahrungen der Spielrunde würde ich heute zu einer in Zonen aufgeteilten Karte greifen, Wall und Tor (und evtl. einen Turm) der Verteidigungsanlagen als Charakter abbilden, (Anzahl PCs+2) Gegner(haufen) als Char erzeugen und einen Zeittrack nutzen. Die Spieler können sich entweder einer der Einheiten anschließen (gibt +1 auf jede Fertigkeit, die der PC besser kann als die Einheit, es würfelt die Einheit/Alternativ können die Minionregeln aus Malmsturm verwendet werden) oder individuell agieren. Allerdings würde es mich auch sehr reizen, den Platoon Combat von Diaspora auszuprobieren!

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