Systemvorstellung: ICONS
Von Azzurayelos stammt die folgende Systemvorstellung. ICONS ist streng genommen kein FATE, aber ebenso wie FATE ein FUDGE-Abkömmling und FATE sehr nahe. Die Systemvorstellung wurde zuerst im Tanelorn gepostet.
ICONS ist ein Superhelden-System ohne eigenes Setting aus der Feder von Steve Kenson, der schon für Mutants & Masterminds verantwortlich war, und im Netz als das erste FATE-Superheldenspiel angekündigt wurde.
Die Präsentation:
ICONS kommt als vollfarbiges Softcover daher, das Format erinnert an ein Trade-Paperback von Marvel oder DC. Trotz farbigem Hintergrund ist der Text gut lesbar, wozu auch ein gelungenes Layout mit großen Überschriften, farbigen Hervorhebungen und ausreichenden Abständen zwischen einzelnen Elementen beiträgt. Einen Index gibt es nicht, was sich bei dem dünnen Büchlein jedoch verschmerzen lässt. Die Illustrationen sind zahlreich, stammen alle vom selben Zeichner und wirken professionell, wobei ein an Cartoons erinnernder Zeichenstil gewählt wurde, der schon auf dem Cover zu bewundern ist:
An Beispielen zur Erklärung der Regeln wurde leider extrem gespart, auch im insgesamt recht kurz geratenen Kapitel über Aspekte, was FATE-Neulingen sicherlich nicht entgegen kommt. Dafür gibt es hinten im Buch eine kleine Sammlung mit Superschurken und ein kurzes Abenteuerszenario, um dem Spielleiter das Leben zu erleichtern.
Das System:
Gleich auf den ersten Blick wird deutlich, dass ICONS kein FATE 3-Spiel mit Superhelden-Anstrich ist, sondern auf eigenen Füßen stehen will. Das Ergebnis wirkt auf mich eher wie eine FATE 2-Variante, was allen, denen FATE 3 zu wenig Spielwirklichkeit simuliert, entgegen kommen dürfte.
Gewürfelt wird bei ICONS, wie auch bei Starblazer Adventures, mit d6-d6 für Ergebnisse von -5 bis +5, die zur Stufe der eingesetzten Eigenschaft addiert werden. Die Skala der Eigenschaftswerte reicht von 1 bis 10, wobei Werte von mehr als 6 als übermenschlich gelten. Eine Besonderheit bei ICONS: Es würfeln ausschließlich die Spieler! Wird z. B. ein Charakter angegriffen, muss mit einem Wurf auf eine defensive Eigenschaft der feste Angriffswert des Schurken übertroffen werden, um Schaden zu vermeiden.
Auswürfeln soll man anhand mehrerer Tabellen auch die Charaktere, vom Ursprung ihrer Superfähigkeiten über die Eigenschaftswerte bis hin zu den Superkräften selbst. Dass dabei völlig aberwitzige Kombinationen von Superfähigkeiten herauskommen, soll dadurch verhindert werden, dass für die meisten Superkräfte thematisch passende „Bonus Powers“ festgelegt sind, die dann anstelle einer anderen erwürfelten anderen Superkraft genommen werden können. EDIT: Ich hab das jetzt mehrfach ausprobiert, und musste feststellen, dass die Ergebnisse häufig trotzdem recht unrund wirken. Wem das Auswürfeln trotzdem nicht gefällt, für den gibt es alternativ ein freies und unkompliziertes Punktekaufsystem, das leider die eine oder andere Regellücke aufweist (z. B. fehlt eine Regelung, wieviel die oben erwähnten „Bonus Powers“ kostet sollen).
Das Konfliktsystem ist ein einfach gehaltenes old-schooliges Kampfsystem, bei dem es gilt, die Stamina der Schurken herunterzuprügeln. Erfolgreiche Angriffe verursachen einen festen Schaden (entsprechend der „Strength“ des Charakters oder dem Schadenswert der eingesetzten Waffe oder Superpower), der um einen etwaigen Rüstungswert reduziert und dann von der Stamina abgezogen wird. Besonders gute Angriffe erhöhen nicht den Schaden, können aber daneben Resultate wie „Slam“ (der Gegener wird zurückgeschleudert oder zumindest umgehauen), „Stun“ (der Gegner geht k.o. oder ist zumindest kurz handlungsunfähig) erzielen. Nur Angriffe mit scharfen oder spitzen Waffen, Feuerwaffen und entsprechend tödlichen Superkräften können außerdem das Resultat „Killing“ erzielen. Wer dagegen mit Fäusten und weniger todbringenden Energiestrahlen kämpft, kann sorglos dreinschlagen, ohne dass versehentlich jemand dabei getötet werden könnte. Bewegung wird sehr abstrakt in fünf Entfernungskategorien gemessen, auf Battlemaps kann daher verzichtet werden.
Völlig anders als bei FATE 3 gibt es bei ICONS statt Szene-Aspekten durch die Spielwirklichkeit bedingte Modifikatoren auf die Würfe, und es gibt keine temporären Aspekte oder Konsequenzen, die man seinen Gegnern verpassen und dann „taggen“ könnte.
Einige für das Genre typische Spezialmanöver runden das Kampfsystem ab, beispielsweise kann ein Charakter jederzeit seine nächste Aktion opfern, um sich einem Angriff auf einen anderen Charakter in den Weg zu werfen.
Statt Skills und Stunts haben Charaktere bei ICONS sechs Abilities (Skala 1 bis 10), für die es noch Specialities (Skala +1 bis +3) gibt. Stunts gibt es keine, dafür aber Superkärfte. Deren Beschreibungen nimmt gut die Hälfte des Buches ein, wobei man merkt, dass hier ein Fachmann am Werk war, der schon einmal ein Superhelden-Rollenspiel geschrieben hat – da fehlt nichts, was man aus den gängigen Comic-Universen kennt. Die Regeln für die Superkräfte sind angenehm einfach gehalten.
FATE-Punkte heißen bei ICONS „Determination-Points“, und Aspekte sind in „Qualities“ und „Challenges“ unterteilt, wobei ein Charakter jeweils bis zu fünf davon haben darf. Qualities sollen eher positive und beschreibende Charakteraspekte sein, „Challenges“ nachteilige Aspekte – regeltechnisch funktionieren beide dann aber gleich. Daneben bekommt auch das Superhelden-Team einen eigenen Determination-Pool, aus dem sich jedes einzelne Mitglied mit Zustimmung der anderen Mitglieder bedienen kann, und ein paar Qualities und Challenges.
Determination wird, wie auch sonst bei FATE, durch Compelling der Qualities und Challenges verdient. Der Determination-Vorrat am Anfang jeder Sitzung ist umso höher, je weniger Superkräfte ein Charakter hat.
Aspekte „taggen“ kann man bei ICONS zu verschiedenen Zwecken. Beim „Determined Effort“ wird vor einem Wurf angesagt, welcher Erfolgsgrad mindestens erreicht werden soll. Wird der angestrebte Erfolgsgrad verfehlt, wird der Erfolgsgrad um zwei Stufen pro Determination-Punkt aufgebessert. Mit einem „Focussed Effort“ kann eine Eigenschaft zur Lösung eines Problems eingesetzt werden, die dafür von den Regeln eigentlich nicht vorgesehen ist (z. B. Strength um ein beschädigtes Auto mit einem kräftigen Tritt wieder in Gang zu setzen). „Recover“ gibt einmal pro Konflikt verlorene Stamina-Punkte zurück. „Retcon“ gibt dem Spieler etwas Erzählrecht, um neue Settingdetails festzulegen. „Stunts“ sind Einsätze von Superkräften auf ungewöhnliche, nicht von den Regeln abgedeckte Art und Weise.
Nachdem es jeder Charakter maximal fünf „Qualitites“ hat, und es bei ICONS keine temporären Aspekte und keine „Consequences“ gibt, gehe ich davon aus, dass Determination-Punkte deutlich langsamer fließen, als FATE-Punkte bei FATE 3, und die Aspekte eine im Vergleich spürbar geringere Rolle spielen.
Determination haben übrigens nur Spielercharaktere, sodass dem Spielleiter für seine NPCe einiges an Buchhaltung erspart bleibt. (Nichtspielercharaktere haben aber natürlich Aspekte, die von den Spielern getaggt werden können – ausgefeilte Regeln, wie man diese Aspekte herausfinden kann, gibt es nicht, nur den pauschalen Hinweis, dass man raten oder auf Awareness würfeln soll.)
Charakterentwicklung ist bei ICONS eigentlich nicht vorgesehen, weil das laut dem Autoren nicht zum Genre passt. Wer trotzdem nicht darauf verzichten will, dem wird der Vorschlag gemacht, die Determination der Charaktere anwachsen zu lassen, die dann für Wertesteigerungen und neue Specialties und Powers ausgegeben werden kann.
Bewertung:
Mir gefällt’s. Der im Vergleich zu FATE 3 stärker simulatorische, actionlastige Ansatz wird dem Genre durchaus gerecht, das Konfliktsystem wirkt angenehm unkompliziert, die Eigenheiten des Genres werden von den Regeln voll unterstützt. Was mir auch sehr gefällt, ist der stark reduzierte Aufwand für den Spielleiter – kein Würfeln, wenig Buchhaltung. Ein paar Seiten mehr mit besseren Erklärungen der Regeln und Ergänzungen der ob der Kürze vorhandenen Lücken hätten allerdings nicht geschadet.
Wer Superhelden lieber erzählerisch mit FATE 3 spielen möchte, dem empfehle ich dafür das Dresden Files RPG – „Evocation“ schnell in „Elemental Control“ umbenannt, fertig ist die Konversion.