Der Umgang mit den Aspekten anderer
Die Aspekte der eigenen Spielerfigur sind nicht die einzigen Aspekte, die man im Spiel nutzen kann. Die Figuren der Mitspieler haben natürlich auch Aspekte, genauso wie manche Nichtspielerfiguren und manchmal sogar bestimmte Szenen (z. B. „Dunkel“ oder „Unübersichtlich“).
Um den Aspekt zu aktivieren, der nicht zur Spielerfigur gehört, muss die Möglichkeit der direkten Einwirkung auf das Objekt, den Ort oder die Person bestehen, und zwar so, dass diese Möglichkeit zur ablaufenden Handlung passt. Das bedeutet, wenn eine Szene den Aspekt „Takelage“ hat (weil es sich um ein Piratenschiff handelt), dann bedeutet das nicht nur, dass die Spielerfiguren an Seilen hin- und herschwingen können, sondern auch, dass sie den Aspekt „Takelage“ nutzen können, während sie das tun. Womit wir beim nächsten Thema wären, dem…
Auslösen
Auslösen heißt, dass man einen Aspekt aufruft, der nicht der eigenen Spielerfigur zugeordnet ist. Dazu gehören Szene-Aspekte und die Aspekte anderer Spielerfiguren bzw. Nichtspielerfiguren. Im Wesentlichen passiert dasselbe wie sonst auch: Man gibt einen Fate-Punkt aus und erhält dafür einen Bonus +2 oder darf den Würfelwurf noch einmal wiederholen.
<Beispiel>
Aspekte, die ausgelöst werden können, werden manchmal durch die Aktionen der eigenen Spielerfigur in der Situation erkennbar. Dies kann durch ein Manöver in einer Auseinandersetzung (s. Seite xxx), der „Behauptung“ eines bislang noch nicht existierenden Aspektes (s. Seite xxx) oder durch Einschätzen und Offenlegen eines bisher unbekannten Aspektes geschehen (s. Seite xxx).
Wie das Auslösen bei Manövern funktioniert, wird in Kapitel 4, S. xxx, genauer betrachtet. Im Folgenden wollen wir einen Blick auf die beiden anderen Möglichkeiten werfen.
Immer wenn ein Aspekt auf diese Weise neu in das Spiel eingebracht wird, passiert das nur, weil der Spieler einen gewissen Aufwand betrieben hat: Er hat gut auf die Fertigkeit gewürfelt, die den Aspekt hervorgerufen hat. Dafür hat er es verdient, den Aspekt einmalig kostenlos zu nutzen, ohne einen Fate-Punkte auszugeben. Dieses freie Auslösen ist nur an eine Bedingung geknüpft: Es muss sofort nachdem der Aspekt ins Spiel gebracht wurde, passieren. Kurze Verzögerungen kann man akzeptieren, wünschenswert ist es aber nicht. Das Bedeutet, dass der freie Aufruf in derselben Szene genutzt werden muss, in der der Aspekt eingeführt wurde.
Der Spieler, der den Aspekt eingeführt hat, kann die Möglichkeit, ihn kostenlos zu nutzen, auch an einen anderen Spieler weitergeben, wenn er dies möchte. Damit sind in einem Kampf tolle Manöver möglich; einer erzeugt einen Aspekt, den der andere dann bei seinem Angriff kostenlos nutzen kann. Das geht aber natürlich nur dann, wenn es sich um einen Vorteil handelt, von dem der andere Spieler profitieren kann. Ein Scharfschütze, der durch zielen den Aspekt „Im Visier“ erzeugt hat, kann diesen Vorteil nicht weitergeben – der Aspekt ist ausschließlich auf ihn passend. Aber wenn ein Boxer den Aspekt „aus der Balance gebracht“ erzeugt, könnte dieser Vorteil ohne weiteres an seinen Kumpel weitergegeben werden, der diesen dann für seinen Schlag nutzt.
Wenn ein Spieler einen Fate-Punkt zahlt, um den Aspekt einer anderen Figur zu nutzen, kann das bedeuten, dass der Spieler dieser Figur den Fate-Punkt erhält. Wenn der zahlende Spieler einen Vorteil erhält, der zum Nachteil des Trägers des Aspektes ist, so erhält letzterer den Fate-Punkt am Ende der Runde (d.h., er kann den Fate-Punkt nicht vor der nächsten Runde einsetzen).
Auslösen beinhaltet oft mittels Manövern erzeugte temporäre Aspekte. Stell sicher, dass Du verstanden hast, wie sich temporäre Aspekte verhalten, siehe dazu Kapitel „Wie man Dinge tut“, S. XXX. Viele temporäre Aspekte sind vergänglich und verschwinden nach dem ersten auslösen (was das bedeutet? Lies das Kapitel!).
Wie man einen König fängt (Auslösen von Aspekten um einen Effekt hervorzurufen)
Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass die Aspekte einer Figur nicht nur für Boni ausgelöst werden können, sondern auch genauso einfach, um einen Effekt zu erzielen. Ein klassisches Beispiel ist aus dem Theaterstück „Hamlet“, indem Hamlet ein Schauspiel aufführen lässt, um die Schuld des Königs zu beweisen. Im Beispiel sollten die Schauspieler keine neuen Aspekte für die Szene erschaffen (s. S. XXX), sondern einen Aspekt auf den König legen (z.B. „Die Enttarnung eines Mörders“).
Wenn eine Spielerfigur weiß, dass eine andere Figur einen solchen Aspekt hat, kann sie ihn auslösen um einen Effekt zu erzielen, indem der Spieler dafür einen Fate-Punkt zahlt und damit die Folgen einer Erzwingung (s. Aspekte erzwingen, S. XXX) erzielt – die Folgen sind abhängig davon, was der Spieler will und die Spielleitung akzeptiert
Stellt sich heraus, dass eine Situation vorliegt, in der das Erzwingen eines Aspektes sinnvoll ist, kann die Spielleitung das Erzwingen durchführen. Es handelt sich um eine Kettenreaktion; das Auslösen zum Erzielen eines Effekts beginnt und endet mit der Entscheidung der Spielleitung, ob die gewünschte Wirkung eintritt.
Wenn es klappt, führt die Spielleitung das Erzwingen des Aspektes durch. Da es sich um ein Erzwingen handelt, kann sich das Ziel mit einem Fate-Punkt freikaufen, den es zahlt statt zu erhalten. Da es sich um ein Erzwingen handelt, entscheidet die Spielleitung, ob sich das Ziel freikauft; wenn ja, geht der Fate-Punkt nicht an den auslösenden Spieler!
Aus der Sicht des den Aspekt auslösenden ist das nicht so dramatisch, da er meist kostenlos auslösen kann, da er den Aspekt zumeist mittels eines Fertigkeitenwurfes erschafft oder entdeckt.
Leider für Claudius (und letztlich auch für Hamlet!) hat der König den Fate-Punkt angenommen (vielleicht für das Erzwingen seines Aspektes „Schlechtes Gewissen“) und verriet sich selbst.
Aspekte erraten
Aspekte werden üblicherweise dann ausgelöst, wenn der Spieler eine klare Vorstellung von dem Aspekt hat, den er auslösen möchte. Aber diese Vorstellung fehlt manchmal; dann rät der Spieler. Es ist erlaubt, Aspekte zu erraten, aber es gelten gesonderte Regeln.
Wenn die Vermutung einigermaßen im Großen und Ganzen nahe der Wahrheit ist, auch wenn die Formulierung nicht genau dem Aspekt entspricht, sollte die Spielleitung die Vermutung erlauben. Zum Beispiel könnte ein Spieler vermuten, dass eine Szene den Aspekt „Dunkelheit“ hat und diesen für eine Aktion nutzen wollen, in der seine Figur schleicht. Auch wenn die Szene in Wirklichkeit den Aspekt „Dunkle Ecken“ hat, ist das nahe genug; die Spielleitung sollte den Aspekt (nämlich „Dunkle Ecken“ offenlegen und dem Spieler erlauben, den Aspekt zu nutzen.
Wenn der Spieler mit seiner Vermutung völlig danebenliegt und diese Tatsache keine wichtige, eventuell sogar geheime, Information ist, sollte der Spieler es sich nochmal überlegen dürfen und den Fate-Punkt zurückerhalten. Um im Beispiel zu bleiben: Wenn der Spieler den Aspekt „Dunkelheit“ vermutet, die Spielleitung aber glaubt, dass dafür die Szene zu gut ausgeleuchtet ist, würde sie dem Spieler einfach sagen, dass es nicht funktioniert. Denn die Tatsache, dass die Szene gut ausgeleuchtet ist, ist zwar eine wichtige Information, aber etwas, was der Spieler durch eine einfache Frage hätte herausfinden können. Es ist sicherlich kein Geheimnis, er sollte dafür keinen Fate-Punkt zahlen müssen.
Wenn die Vermutung des Spielers falsch ist, aber der Spieler daraus einen wichtigen Schluss ziehen kann (z.B. auf ein Geheimnis, welches die SL hat), ist der Fate-Punkt ausgegeben. Diese Konstellation tritt praktisch nie bei Szenenaspekten auf, sondern nur bei Aspekten einer anderen Figur. Zum Beispiel: Wenn der Spieler den Aspekt „Schlechtes Gewissen“ einer Figur nutzen will um diese Einzuschüchtern, und es stellt sich heraus, dass die Figur diesen Aspekt nicht hat, dann ist der Fate-Punkt zwar verbraucht, ohne dass der Spieler in den Genuss des Bonus kommt. Denn die Tatsache, dass die Figur kein schlechtes Gewissen (oder etwas ähnliches) hat, ist wichtig und geheim.
Im schlimmsten Fall liegt der Spieler falsch, weil er reingelegt wurde. Das passiert wohl besonders häufig als Folge einer Täuschungsaktion (S. XXX). In solch einem Fall hat der Täuschende die Möglichkeit den Fate-Punkt an den Getäuschten zurückzugeben. Wenn er den Fate-Punkt behält, dann erfährt die Figur, dass sie getäuscht wurde. Der Täuschende erhält den Fate-Punkt nicht, er verfällt einfach. Wenn er den Fate-Punkt zurückgibt, werden die Dinge für den Getäuschten noch unangenehmer: Der Täuschende darf einen temporären Aspekt auf den Getäuschten legen (die erste Nutzung ist, wie oben gezeigt, kostenlos), indem er widerspiegelt, wie die Täuschung funktioniert.
Unabhängig davon muss nochmals betont werden, dass Vermutungen nicht einfach so aufgestellt werden dürfen. Es muss immer einen guten Grund für eine Vermutung geben! Rät der Spieler einfach wild drauf los, darf die Spielleitung ihn ignorieren.
_____
Übersetzung ins Deutsche von Abschnitt 3.3.2 des System Reference Documents des FATE Rollenspiels „Spirit of the Century“. Wenn die Übersetzung von Kapitel 3 vollendet ist, wird der gesamte Text im Bereich Downloads zur Verfügung stehen.
Wenn Fehler im Text oben aufgefallen sind, freue ich mich über entsprechende Hinweise in den Kommentaren. Keine Angst, ihr könnt nicht kleinlich genug sein!