Warum Settings für Fate oft nur vage beschrieben werden

Ausgehend von dieser These im Karneval der Rollenspielblogs vom Juni

„Und damit sich die Kommentarspalte gleich ordentlich füllt, hier eine kontroverse These: Fate ist Scheiße, weil für die einzelnen, ziemlich guten, Settings (Bergungskreuzer Möwe, Masters of Umdaar, Die Geheime Welt der Katzen) nur Einsteigerabenteuer und ein paar Settings nichts weiterführendes gibt. Da ist nach dem Einstieg schon Schluss. Warum sollte ich das dann überhaupt spielen?“

hat Hell van Sing sich die Frage gestellt, warum Settings für Fate oft nur vage beschrieben werden.

(Disclaimer: Das ist übrigens der Artikel, auf den wir uns in Folge 47 des Fatecasts bezogen haben)

Wenn man sich bei (traditionellen) Rollenspielern Meinungen über Fatesettings einholt, so stößt man recht oft auf grob folgende Formulierung:

“Ich habe Setting XY gekauft, weil ich dachte, das wäre eine total interessante Welt und war dann absolut enttäuscht – da wird ja kaum was beschrieben!”

Und ja, wenn man die gängigen Settings mit ihren Pendants aus Ecken wie DSA, Splittermond und Shadowrun vergleicht, so bleiben diese wirklich ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Zur Verdeutlichung: Für die aktuelle Version von Das Schwarze Auge sind allein für den Kontinent Aventurien rund sechzig (!) Quellenbücher rund um Geographie, Theologie und Kultur erhältlich. Dagegen wirken selbst die (rein an der Anzahl der Veröffentlichungen gemessenen) “größten” Settings für Fate wie Jadetech, Mindjammer und Mecha vs. Kaiju mit ihren je unter zehn Veröffentlichungen geradezu winzig. Einzig Atomic Robo, Dresden Files und Wearing the Cape könnten mit einer noch umfangreicheren Hintergrundwelt aufwarten – aber all diese basieren auf Romanen bzw. Comics, welche lange vor dem Rollenspiel existierten und auch eher “externes” Material sind. Und von den Abenteuerwelten mit ihren knapp dreißig Seiten Setting wollen wir erst gar nicht anfangen. Dazu kommen noch ungezählte Abenteuer- und Kampagnenbände, welche bei Fate, abgesehen von kleinen Einstiegsabenteuern in den jeweiligen Grundbüchern, eher selten anzutreffen sind.

Stellt sich für den alteingesessenen Rollenspieler die Frage, warum die Settings für Fate, zumindest innerhalb einer Serie, nicht dazu taugen, die Regalmeter der Sammlung zu füllen – andere Spiele schaffen das ja auch.

Der Grund ist, wenn man sich die Regeln von Fate besieht, recht simpel:

Spieler und Leitung sind proaktiv und kollektiv bei der Welterschaffung und können jederzeit über Aspekte, welche immer wahr sind, diese gemeinsame Welt ändern – wenn es sein muss auch, in ihren Grundfesten. Dies zieht gleich mehrere Konsequenzen mit sich, unter anderem dass, wenn die Spieler die Welt durch ihre Geschichte formen, diese Welt nicht auserzählt sein darf. Dazu kommt, dass bei Fate, wenn permanent Worldbuilding betrieben wird, nichts ohne Konsequenzen bleibt. Ursache und Wirkung sind hierbei das Grundprinzip, dass nicht nur die Welt verändert, sondern für die Spielleitung auch zentraler Bestandteil der Spielplanung ist. So ergeben sich aus den Auswirkungen vergangener Handlungen auch neue Ansätze für weitere Abenteuer. Provokant formuliert:

Hochdetaillierte, vorgeschriebene Welten stehen bei Fate dem Spielfluss im Weg.
Eine Welt bei Fate verändert sich stetig und macht etwaige Detailbände schnell obsolet.

Settingbeschreibungen für Fate lassen sehr, sehr oft viele freie Stellen auf der Landkarte und konzentrieren sich zumeist auf einige wenige zentrale Ortschaften. Dabei sind aber selbst diese eher grob beschrieben, detaillierte Stadtkarten wird man wohl kaum finden, und eher in Zonen aufgeteilt, welche dann in ihrer Stimmung und Kultur beschrieben werden. Es wird also lediglich ein allgemeiner Rahmen abgesteckt. Ein Rahmen, der genug an die Hand gibt, um in ihm zu spielen, aber weit genug bleibt, um nicht gesprengt zu werden.

Ein gutes Beispiel für die Ausführung einer Abenteuerwelt ist Nest, welches in seiner Weltbeschreibung auf gerade einmal vier Seiten alle drei Königreiche der Spielwelt beschreibt. Diesen wird jeweils eine bestimmte Stimmung und Architektur/Kultur, sowie ein paar wichtige Figuren zugewiesen und das war es – dennoch reichen diese recht dürftigen Beschreibungen mehr als aus, um in dieser Welt zu spielen, sollen sie doch nur die Vorlage geben, in der die eigene Geschichte und Interpretation der Welt stattfinden.

Als Gegenbeispiel am anderen Ende der Fahnenstange des Detailgrades stehen Eis&Dampf und Malmsturm, welche wesentlich mehr Fleisch bieten, aber dennoch mit einem ähnlichem Schema arbeiten. Zunächst wird erst einmal ein Rahmen aus Kultur, Zeit und Technologie abgesteckt, dann wird eine Leinwand mit einigen Ländern und ihren innerregionalen Alleinstellungsmerkmalen und Beziehungen gespannt – alles, ohne dabei zu tief ins Detail zu gehen und eher mit Adjektiven als mit Aufsätzen versehen. Zu guter Letzt werden wieder einige wenige, zentral wichtige Ortschaften mit ihren jeweiligen Stimmungen, Foki und einflussreichen NSC genannt. Von Dingen wie ausgearbeiteten Stadtplänen oder gar unveränderbaren Metaplots ist jedoch nichts zu sehen. Letztere lassen sich aus den Hintergründen und den Beziehungsgeflechten zwar herauslesen, werden aber mehr angerissen als detailliert beschrieben und bilden damit lediglich Ansätze für Abenteuer als unbedingten Handlungsbedarf für die Spieler – eine Sache die so ziemlich alle Settings gemein haben.

Kurzum zusammengefasst:
Fate ist ein Spiel, welches darauf setzt, dass alle am Tisch die Welt aktiv formen und sich nicht jeden Grashalm vorkauen lassen, dementsprechend sind typische Fatewelten eher als Spielwiese für eigene Ideen innerhalb dieser als denn als in Stein gemeißelte Bollwerke der Autoren geschrieben und zu betrachten.

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3 comments

  • rolandhofmeister1 1. Juli 2018   Reply →

    Vielen Dank! das war der beste Kommentar des ganzen Karnevals!

  • Lichtbringer 6. Juli 2018   Reply →

    Eine schlüssige Antwort, die gut strukturiert das Thema angeht.

    Mir scheint es aber noch einen weiteren Grund zu geben, der aus der Ökologie des Rollenspielmarkts erwächst:
    Die meisten Fate-Spielleiter habe eine gewisse Begeisterung am Konvertieren (man muss eine Freude am Ausfeilen haben, um ein so flexibles System wie Fate leiten zu mögen). Für die meisten Spielleiter ist daher jede Spielwelt eine potentielle Fate-Welt.
    Deshalb gibt es wenig Grund und ökonomischen Anreiz, ausgearbeitete EDO-Fantasy-Welten auf dem Markt zu bringen. Bis man die fertig hat, spielen alle interessierten Gruppen längst SplitterFate, Fate-venturien oder die VerFateteten Reiche.
    Also sucht sich Fate seine ökologische Nische bei kleinen, innovativen Welten (z. B. Ghost Planets oder House of Bards) und bei Werkzeugen (z. B. Antagonisten-Handbuch und Horror-Handbuch), die bei der Adaption oder eigenen Welterschaffung hilfreich sind.

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