Christoph L

Schöner ausgeschaltet – Konfliktergebnisse in Fate Core

In Fate Core sind Konfliktszenen oft der actiongeladene Höhepunkt einer Spielsitzung.

Die Kontrahenten treten sich gegenüber, bringen sich in Stellung. Austausch folgt auf Austausch. Und ausgetauscht wird da eine ganze Menge: Argumente und Beleidigungen, Schusssalven und Schwerthiebe. Mit jedem ausgefüllten Kästchen eskaliert der Konflikt in der Stressleiste weiter. Jedes Kreuz treibt die Spielercharaktere der entscheidenden Frage entgegen: Aufgeben oder ausgeschaltet werden?

Aber Moment, mit dieser einen Frage ist es nicht getan. Mir zumindest fielen da ein paar weitere ein:

  • Was geschieht mit meinem SC, wenn er*sie ausgeschaltet wird?
  • Was, wenn er*sie aufgibt?
  • Welche der beiden Optionen passt besser zu den Zielen und Umständen des Konflikts?
  • Welche Option ist die taktisch klügere?
  • Und: Wenn mein*e SC ausgeschaltet wird, meine Mitstreiter*innen aber nicht, was geschieht dann? Wie wird es meinem Charakter ergehen? Ist der Konflikt dann verloren?

In diesem Artikel werde ich versuchen, diese ganzen Fragezeichen ein wenig aufzulösen.

Außerdem gebe ich dir ein paar Zufallstabellen an die Hand, die dir dabei helfen sollen, festzulegen, was die gegnerische Konfliktpartei antreibt und was mit deinem Charakter passieren könnte, wenn er*sie ausgeschaltet wird, der Rest der Gruppe sich aber im Konflikt hält.

Schauen wir’s uns an!

Konflikte – Warum eigentlich?

„Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg,
sondern der Fortschritt sein.“

– Joseph Joubert, französischer Essayist

Ein Konflikt, was ist das überhaupt?

Laut Fate Core unterscheidet sich ein Konflikt von Herausforderungen oder Wettstreiten dadurch, dass alle Konfliktparteien Gewalt anwenden, um ihre Ziele zu erreichen. Gewalt ist hier im weiteren Sinne gedacht und umfasst auch Verbalattacken und emotionalen Druck.

Entscheidend ist, dass die Drastik der Situation eigentlich nur einen von zwei möglichen Ausgängen zulässt.

„Der Konflikt ist zu Ende, wenn eine Seite aufgibt oder ausgeschaltet wird.“
(vgl. „Konflikte“, Fate Core, S. 162)

Voraussetzung für einen Konflikt ist damit, dass die Beteiligten bereit sind, eine Gefahr für Leib, Leben und Psyche einzugehen, um die Situation zu entschärfen. Während es also das spielmechanische Ziel sein mag, die gegnerische Seite zur Aufgabe zu bewegen oder sie ganz unschädlich zu machen, ist dies selten das erzählerische Ziel eines Konflikts.

Hier greift der fate-core-typische Grundsatz: Geschichte zuerst!

Jeder Konflikt dreht sich um etwas, das es wert ist, erzählt zu werden. Damit also überhaupt ein Konflikt ausgefochten wird, muss es richtig um was gehen. Jede Konfliktpartei will etwas erreichen oder verhindern, dass etwas erreicht wird.

Selbst wenn du als SL den Spielabend lediglich mit einem kurzen Kampf aufpeppen willst, fasse ein erweitertes Ziel ins Auge, das die Widersacher durchsetzen wollen. Sie werden sicher auch ihr Vorgehen in der Konfliktszene darauf ausrichten. Vor Beginn eines Konfliktes ist es deshalb eine gute Idee, gemeinsam festzulegen, worum es allen Beteiligten geht.

Die folgende Zufallstabelle mag eine grobe Orientierung liefern:

Zufallstabelle – Was will die Gegenseite im Konflikt erreichen?

Festzulegen, was das eigentliche Ziel eines Konfliktes ist und was auf dem Spiel steht kann am Ende des Konfliktes auch dabei helfen, das weitere Schicksal der Verliererseite zu bestimmen.

Vorzeitiges Konfliktende

Wenn du und deine Gruppe in Konflikten stark mit Zielen der Beteiligten arbeiten, spricht nichts dagegen, dass ihr das Ende eines Konfliktes statt an das Ausscheiden einer Konfliktpartei an das Erreichen eines Zieles bindet. Hat die eine Seite umgesetzt, was sie wollte, scheidet die andere aus. Damit würde auch frühzeitiges Aufgeben deutlich attraktiver. Schließlich sitzen Spieler*innen dann wenigstens mit am Verhandlungstisch über das, was nach dem Konflikt in der Fiktion passiert. Hat ein Konflikt auf diese Weise geendet, schließt sich womöglich auch direkt ein Wettstreit oder eine Herausforderung an. (vgl. „Den Konflikt beenden“, Fate Core, S. 181)

Die vier Ergebnisse eines Konfliktes

Die Ziele sind festgelegt, der Konflikt ist im Gange… jetzt stellt sich nur noch die Frage, welchen Ausgang er nehmen wird.

Spielmechanisch definiert Fate Core den Endpunkt eines Konfliktes von der Verliererseite aus: Wenn alle anderen Konfliktparteien aus dem Konflikt ausscheiden, entscheidet die letzte übrige Partei die Auseinandersetzung für sich.

Wie sehr der Erfolg der Gewinnerseite dann das weitere Geschehen beeinflusst und wie kompromisslos sie ihre Interessen durchsetzen kann, ist davon abhängig, wie genau die Verliererseite ausgeschieden ist.

Ist die Gegenseite mit fliegenden Fahnen untergegangen und wurde ausgeschaltet? Oder hat sie die drohende Niederlage vorausgesehen, ihre Kräfte geschont und lieber aufgegeben?

Zusammengenommen ergeben sich aus den Kombinationen von Erfolg, Aufgeben und Ausgeschaltetsein sogar Verhältnisse, die mit den Vier Ergebnissen aus den Grundregeln von Fate Core vergleichbar sind. (vgl. „Vier verschiedene Ergebnisse“, Fate Core, S. 140)

Die möglichen Ausgänge von Konflikten, umgesetzt im Stil der vier Ergebnisse des Fate Core-Rollenspiels

Dem Gewinner eines Konfliktes winkt in jedem Fall der große Preis: Das Erzählrecht!

Doch wie stark dieses Recht wiegt – ob die siegreiche Partei allein entscheiden darf oder die Gegenseite mitreden darf – das ist der deutlichste Unterschied zwischen dem Aufgeben und seinem ungemütlichen Pendant.

Aufgeben

Oder: Der Erfolg mit Haken / Der abgeschwächte Fehlschlag

Im Vergleich zu vielen anderen Rollenspielen ist Aufgeben in Fate Core in gewisser Weise die Standard-Option für das Ende eines Konflikts. Wenn eine der Konfliktparteien merkt, dass sie nicht mehr gewinnen kann, streicht sie die Segel. Ein Konflikt wird bei Fate Core meist nicht bis zum bitteren Ende durcheskaliert.

Dazu muss man sagen, dass das Aufgeben aber auch ein sehr attraktives Marketing betreibt. Es wirft mit den „Incentives“ nur so um sich. Wenn dein Charakter aufgibt, erhältst du zumindest 1 Fatepunkt. Und dann sogar noch einen weiteren für jede Konsequenz, die du deinem Charakter aufgebuckelt hast.

Oben drauf gibt’s dann noch das Mitsprachrecht. Aufzugeben bedeutet zwar, dass der Charaktere die eigenen Ziele im Konflikt nicht erreicht. Dafür darf aber nicht der Spielleiter bestimmen, was mit deinem Charakter geschieht, sondern du.. Todesstöße, Gefangennahmen oder Verlust von Ausrüstung, Erinnerung und Ego kannst du somit wirksam abgewenden.

Wenn du SL bis, kannst du gleichermaßen von der Aufgeben-Option profitieren. Du darfst die NSC-Seite nämlich auch aufgeben lassen, um das Pacing zu steuern: Die Spielercharaktere haben gerade mit dem Mob den Boden aufgewischt, aber der Oberbösewicht rettet sich in letzter Sekunde. Und kommt später gestärkt zurück, mit zusätzlichen Fatepunkten.

Damit gibt dir Fate Core ein dramaturgisches Werkzeug an die Hand, um die klassische Dreiakt-Struktur von Filmen und Serienepisoden in dein Spiel einzubinden. Nur in wenigen Filmen spitzt sich die erste Konfrontation zwischen Oberbösewicht und Protagonisten direkt in einem Showdown zu. Stattdessen geht es zunächst ein wenig hin und her, Szene für Szene, Fun and Games. Und dann, im Schlussakt, stoßen die verschiedenen Seiten in einer finalen Konfrontation zusammen.

Vorsicht, Schein-Showdown!

Als SL solltest du aber darauf achten, dass sich keine Frustration bei deinen Mitspieler*innen aufstaut. Irgendwann ist ein „Schein-Showdown“, bei dem der Schurke entkommt, einer zu viel. Und wenn alle Konfliktparteien nichts anderes möchten, als die jeweils anderen unter die Erde zu bringen, würde selbst ein Aufgeben wohl nicht das Leben deines Charakters schützen. Das Verhandeln über die Fiktion am Ende betrifft in unter diesen Umständen mehr die Situation als solche: Der Bösewicht geht ins Jenseits, aber seine Agenda wird zumindest zum Teil Wirklichkeit.

Überhaupt kann das Aufgeben auf der Erzählebene viele Gestalten annehmen. Es ist nicht zwingend nötig, dass die Aufgebenden weiße Fahnen schwenken. Sie können sich ebenso zurückziehen und ihren Gegnern das Feld überlassen. Friedensverhandlungen sind auch möglich, bei denen man sich auf einen Waffenstillstand einigt. In sozialen Konflikten lenken die Aufgebenden das Gespräch vielleicht wieder zurück auf Smalltalk und schweigen über das eigentliche Thema. Und dann gibt es noch die erzählerisch sehr freie Auslegung, bei der der Konflikt durch äußere Umstände oder Akteure einfach unterbrochen wird.

Am Besten bringen du und deine Gruppe die möglichen Ausgänge eines Konfliktes gleich zu Beginn auf den Tisch. Möchten du und deine Gruppe eine Konfrontation auf Leben und Tod inszenieren, kämpft gleich bis zur letzten Konsequenz.

Aber Vorsicht: Das kann auf ganz eigene Weise hässlich werden!

Ausgeschaltet werden

Oder: Der volle Erfolg / Der totale Fehlschlag

Das Fate Core-Regelwerk beschreibt Konflikte folgendermaßen:

Solange alle involvierten Charaktere das Ziel und die Fähigkeit haben, sich gegenseitig zu verletzen, bist du in einer Konfliktszene.
(vgl. „Konflikte“, Fate Core, S. 162)

Das Ausscheiden durch Gewalteinwirkung ist somit ein möglicher Ausgang eines Konflikts.

Und im Gegensatz zum Aufgeben wählst du ihn für deinen Charakter selten freiwillig. Wenn dein Charakter keinen Stress mehr durch die Stressleiste oder durch Konsequenzen abfangen kann, dann wird er*sie ausgeschaltet. Ohne Wenn und Aber.

Auf der Erzählebene sind die Auswirkungen gravierend: Letztlich gibst du als Spieler*in das Erzählrecht über den weiteren Konfliktverlauf auf. Ein ausgeschalteter Charakter ist den Gegnern schutzlos ausgeliefert und die SL entscheidet, was dem Charakter nach dem Konflikt widerfährt.

Damit steht auch der endgültige Charaktertod natürlich im Raum. Er ist in Fate Core als mögliches Ergebnis von Konfliktsituationen mitgedacht. Zu diesem Thema gibt es in der Rollenspielszene ganz unterschiedliche Ansichten.

Der Tod kommt ungeladen – Ja zum Charaktersterben

Wenn den Held*innen die Kugeln um die Ohren pfeifen, dann werden die meisten von ihnen sicher eine Form von Todesangst spüren.

Und vielleicht möchtest als Spieler*in, dass sich ein vergleichbares Gefühl der Anspannung bei dir einstellt. Vielleicht empfindest du Nervenkitzel in Situationen, in denen das Leben deines Charakters bedroht ist – und damit dieses Gefühl einsetzt, muss es eben auf der Metaebene bedroht sein. Das endgültige Ausscheiden aus der Gruppe muss für dich eine konsequente Option sein.

Der Tod würfelt nicht – Nein zum Charaktersterben

Auf der anderen Seite betrachtest du als Spieler*in die Sache womöglich lieber aus der Autorenperspektive. Du möchtest dir einfach von den Würfeln nicht diktieren lassen, wie und wann dein Charakter das Zeitliche segnet. Für dich genießen die Spielercharaktere als Protagonisten dann womöglich eine gewisse dramaturgische Immunität.

Der Tod eines Charakters ist dann stets verknüpft mit einer Wendung oder Entwicklung in der Geschichte: Wenn Marietta stirbt, dann nur, wenn sie mit Kardinal Hernando die Klingen kreuzt, um den Tod ihrer kleinen Schwester zu rächen. Wingchasers Raumgleiter bricht in Stücke, während er den Rückzug seines Geschwaders deckt und „Wir sehen uns am anderen Ende der Sterne!“ als finalen Funkspruch absetzt.

Charaktersterben – Sprecht’s ab

Welcher dieser Philosophien du auch anhängst: Du und deine Mitspieler sollten sich verständigen, ob deine Gruppe „ausgeschaltet werden“ grundsätzlich mit „getötet werden“ gleichsetzen will. Und wenn ihr euch darauf verständigt, dass Spielercharaktere nicht getötet werden, es sei denn ihre Spieler*innen stimmen zu, dann hat die SL das Recht für die eigenen NSCs Gleiches einzufordern wollen.

Eine differenziertere Variante könnte vorsehen, den Tod als möglichen Ausgang an die Wichtigkeit des Konflikt zu koppeln, der gerade abläuft. Wenn das Ziel des Konfliktes deinem Charakter wirklich viel bedeutet und er*sie bereit ist, alles dafür aufs Spiel zu setzen, dann landet eben auch sein*ihr Leben in der Waagschale. Kommuniziert aber vor dem Konflikt auf unmissverständlich, was auf dem Spiel steht, damit es keine Missverständnisse gibt.

Weiterhin ist Sterben nicht die einzige mögliche Folge des Ausgeschaltetseins. Der fehlende Einfluss eines Charakters auf sein Schicksal kann auch eine andere Form einnehmen. Seinem Gegner fällt sicherlich etwas ein, das den Tod als dankbare Alternative erscheinen ließe.

Kämpft ohne mich weiter!

Oder: Konfliktausgänge mit mehreren Beteiligten

Nun geht Fate Core ja nicht nur von einem Helden aus, sondern von einem Helden-Ensemble.

Was also, wenn einzelne Charaktere ausgeschaltet werden oder aufgeben und der Rest weitermacht?

Was wenn die übrig Gebliebenen den Konflikt sogar gewinnen?

Spielen wir ein paar Möglichkeiten durch.

Gedankenspiel I: Aufgeben in der Gruppe

Taktisch gesehen wäre das ein echter Coup:

Eine Spielergruppe aus vier Charakteren steht ihrem Erzfeind gegenüber. Der Schurke kriegt ordentlich auf die Mütze, seine Schergen fallen wie die Fliegen. Doch in der letzten Runde erklären zwei Spieler*innen, dass sie ihre Charaktere aufgeben lassen – und kassieren die entsprechenden Fatepunkte ein. Die restlichen Charaktere machen weiter und besiegen den Schurken. Nicht nur hat die Gruppe den Konflikt entschieden, sondern auch Fatepunkte herausgeschlagen.

Das wäre aber nur ein Gedankenspiel: Der Grundsatz, dass die Erzählung dem Regeleinsatz voraus geht, gilt weiterhin. Die Spieler*innen müssen also auch erzählerisch einen Grund liefern, warum ihre Charaktere aufgeben. Damit einher geht der Verzicht auf das volle Erzählrecht beim Ausgang des Konflikts: Der Charakter setzt zumindest seine persönliche Agenda im Konflikt nicht in vollem Maße durch.

Das führt zu einer weiteren Frage: Wie viele Spielercharaktere müssen aufgeben, damit der Konflikt insgesamt als aufgegeben gilt?

Die einfachste Variante wäre, zu sagen: Die Mehrheit entscheidet. Wenn mehr Spielercharaktere sich fürs Aufgeben entscheiden als im Konflikt verbleiben, gilt der Konflikt als aufgegeben. Hier ist natürlich die Gefahr groß, dass Mitspieler*innen sich übergangen fühlen.

Ein anderer Vorschlag wäre dagegen, die Entscheidung, ob ein Konflikt aufgegeben wird, an alle Mitspieler*innen zu koppeln. Aufgeben ist Gruppensache: Die Gruppe als Ganzes sollte entscheiden, diese Option zu wählen. Sonst geht der Konflikt auch mit allen Beteiligten weiter.

Gedankenspiel II: Ausgeschaltet in der Gruppe

Nehmen wir das Beispiel aus dem vorigen Abschnitt und tauschen „aufgeben“ durch „ausgeschaltet werden“ – es ergibt sich eine ganz andere Situation. Die ausgeschalteten Charaktere gehen zu Boden, der Konflikt kann trotzdem noch herumgerissen werden. Kein Problem, oder?

Schlüsseln wir das Beispiel auf:

Ein*e Spieler*in lässt sich aus taktischen Gründen ausschalten. Er*sie entscheidet sich dazu, den Stress, den der Charakter erhält, nicht auszugleichen und daher auszuscheiden. Die Mitstreiter*innen reißen aber die Führung im Konflikt an sich und gewinnen. Nicht nur hätte die Gruppe die Situation zu ihren Gunsten entschieden. Der Charakter erhielte auch weniger Konsequenzen und würde natürlich nicht getötet – die Helden sind ja siegreich.

Zunächst ist das Ausgeschaltetwerden bei Fate Core nicht als freiwillige Option zu verstehen: Dieser Ausgang entsteht unter Zwang, wenn der Stress einen Charakter übermannt. Es ist also kein taktisches Werkzeug, auf das man nach Belieben zugreifen kann. Auch von erzählerischer Seite wäre es schwierig zu rechtfertigen. Wer entscheidet sich schon für die totale Hilflosigkeit im Angesicht des Gegners, außer als Ablenkungsmanöver (und dafür gibt es ja die Aktion C Vorteil erschaffen).

Zweitens bedeutet ein Triumph der eigenen Verbündeten nicht unbedingt, dass deren Spieler über das Schicksal deines ausgeschalteten Charakters befinden – du selbst darfst das ja laut Regeln ja auch nicht. Abgesehen davon, dass die Konsequenzen natürlich schmerzhaft genug sind, sollte jedes Ausgeschaltetsein noch weitere Komplikationen nach sich ziehen, die sich der Kontrolle der Spieler*innen entziehen.

Eine Möglichkeit für die SL wäre zusätzlich zum Ausscheiden des betroffenen Charakters aus dem Konflikt noch eine weitere Komplikation einzubringen, die dieser Verlust nach sich zieht. Die folgende Tabelle bietet eine Orientierung, was mit einem ausgeschalteten Charakter widerfahren kann.

Zufallstabelle – Was passiert, wenn ich ausgeschaltet werde?

Gedankenspiel III: Alles munter durcheinander

Bei Fate Core werden immer nur einzelne Spielercharaktere ausgeschaltet und niemals ganze Gruppen – wenn nicht der Gegner gerade einen Stunt einsetzt, der Stress auf mehrere Ziele verteilt. Ein Standardfall in einem Konflikt kann also lauten: Einige Charaktere werden ausgeschaltet, der Rest gibt auf.

Grundsätzlich hast du als Spieler*in, dessen*deren Charakter aufgegeben hat, ja Mitspracherecht wie es mit ihm*ihr weitergeht. In Hinblick darauf, was die Konfliktparteien als Ziele angegeben haben, lässt sich ein solcher Fall daher leicht in eine passende Erzählung übersetzen.

Wollte die Gegenseite deines Charakters habhaft werden und der*die liegt nun ausgeschaltet auf dem Boden? Dann bekommen sie den Charakter vielleicht tatsächlich in die Finger. Doch die anderen Spielercharaktere wissen, wo die Schurken ihre*n Gefangene*n hingebracht haben und nehmen sofort die Verfolgung auf. Oder vielleicht rauben die Schurken auch etwas, das diesem Charakter wichtig ist was ihn dazu zwingt, später erneut in die Konfrontation zu gehen.

Wenn alle anderen ausgeschaltet sind und du als letzte*r Spieler*in dann noch rasch den Konflikt aufgibst, dann sollten die Probleme, die daraus erwachsen sogar noch drastischer sein. Aber vielleicht ist das, was die Gegner jetzt, zumindest in Teilen durchsetzen können, für die Charaktere auch Strafe genug.

Gleichstand

Oder: Warum machen wir das hier eigentlich?

Wenn du bis hierher gelesen hast, der wirst du dich vielleicht fragen: Wenn ein Konfliktausgang mit den vier Ergebnissen abgebildet werden kann, wo ist dann der Gleichstand?

Ein letztes Gedankenspiel:

Wenn beide Konfliktparteien mitten im Konflikt bemerken, dass es die Sache nicht wert ist und sich die Hand geben… naja, dann greift wieder der altbekannte Fate-Grundsatz: Die Geschichte zuerst.

Wenn alle damit einverstanden sind und nicht einige Charaktere (egal ob von der SL oder von Spieler*innen gesteuert) den Konflikt weiter eskalieren, spricht nichts dagegen, ihn vorzeitig zu beenden.

Eine solche Deeskalation lässt sich in die Konfliktmechaniken einbinden: Du willst die Gegenseite dazu bewegen, die Kampfhandlungen abzubrechen? Klingt für mich nach Angriffen, die sozialen oder mentalen Stress verursachen. Wenn du den Gegner durch gutes Zureden dann ausschaltest, steht Friedensverhandlungen nichts mehr im Wege.

In dieser Variante gäbe es natürlich einen Verlierer. Eine Alternative wäre den Konfliktabbruch als einen Fall zu betrachten, in dem beide Seiten aufgeben. Vielleicht belohnt sich deine Spielgruppe bei einem solchen Konfliktausgang sogar alle Beteiligten mit Fatepunkten – am besten nur so vielen, wie sie Konsequenzen im Konflikt bekommen haben. Quasi als Entschädigung.

Sollten die Konfliktteilnehmer weiter ihre Ziele verfolgen, aber einander nicht verletzen wollen, könnt ihr den abgebrochenen Konflikt auch in einer Herausforderung oder einem Wettstreit abbilden (vgl. „Konflikte beenden“, Fate Core, S. 181).


Schlussendlich stoßen wir bei den obigen Gedankenspielen aber ins Feld der Entscheidungen, wie sie im Fate-Handbuch stehen (vgl. Regeln oder Entscheidungen, Fate-Handbuch, S. 10). Will heißen: Sprecht es am Spieltisch ab, wie ihr es regeln wollt. Kommt die Situation öfter auf, macht eine feste Regel draus.

Und wenn ihr solche Spitzfindigkeiten von eurem Spieltisch fernhalten wollt, habt ihr noch eine allerletzte Option. Eine Option, die alle bis hierhin vorgestellten um Welten schlägt:

Gewinnt einfach den Konflikt!

Ohne Ausfälle.

Ich meine, wie schwer kann das schon sein?

Tianxia #26: Samurai – Tenka – Ninjo vs. Giri

Der härteste Gegner eines Samurai ist er selbst.

 

Da kann das Katana noch so scharf geschliffen, das Kenjutsu noch so vollendet sein – seinen inneren Dämonen kommt er damit kaum bei. Im Chanbara-Genre geht es bei einem Kampf um viel mehr als nur darum, den Gegner zu töten. Im Überwinden des Feindes mit Waffengewalt spiegeln sich andere Konflikte wider. Klar, wenn ein Samurai ein paar Löcher in die Schergen eines Clanlords schlägt, dann muss es nicht mehr bedeuten als genau das, was es ist. Aber gerade in den Abschlussduellen verdichten sich Rachegefühle, Ehrenkodex, Standesaspekte und gemeinsame Vorgeschichte zu einem Konflikt, an dem der Samurai persönlich wachsen kann.

 

Dass Samurai vor Kompetenz und Eigeninitiative nur so strotzen – das ist in den anderen Artikeln schon deutlich geworden. Nun müssen unsere Helden nur noch dramatisch werden. Das übernimmt die Mutter aller Chanbara-Konflikte: Der Konflikt zwischen Ninjo und Giri, zwischen dem, was ein Samurai fühlt, und dem, was er zu tun verpflichtet ist. Solche Gefühle sind natürlich nichts Greifbares. Auch einem Samurai kann man nur vor den Kopf schauen. Oder besser: Ins Gesicht.

Der Kampf der Gesichter

Ich habe im vorherigen Artikel schon einmal auf das Gesicht (jap. Mentsu) hingewiesen. Das Gesicht ist die persönliche Ehre und Würde, die man nach außen präsentiert. Die Wahrung eines gesellschaftlichen Grundkonsens, der Harmonie (jap. Wa, 和), ist von immenser Bedeutung für die Japaner. Das geht so weit, dass in Japan schon das Wort „Nein“ als harsch wahrgenommen wird. Will man eine Verabredung absagen, behilft man sich damit, „ein bisschen zuzusagen“ – man würde nichts lieber tun, aber die Umstände sind ungünstig. Taten und Worte werden immer umsichtig ausgewählt, um das System nicht ins Wanken zu bringen. Das beinhaltet auch, andere nicht mit den eigenen Schwierigkeiten und Gefühlen zu belasten.

 

An dieser Stelle muss ich etwas zurückrudern: In Bezug auf die asiatische Kultur ist es nicht sinnvoll, nur von dem einen Gesicht zu sprechen. In der Gesellschaft Japans gibt es noch einen anderen Lebensbereich, eine Art Gegenraum zu Tradition und Öffentlichkeit. Bildlich gesprochen stehen sich in der Seele eines Chanbara-Helden zwei Gesichter gegenüber – und das eine streckt dem anderen öfter mal die Zunge raus. Ich spreche von Honne (本音, jap. für „echter Klang“) auf der einen Seite und Tatemae (建前, jap. für „Fassade“) auf der anderen Seite.

 

Honne ist der private Raum, der die wahren Gefühle und Bedürfnisse eines Menschen beinhaltet. Ein Samurai würde sein Honne nur mit seinen intimsten Vertrauen teilen. Es ist das was er eigentlich fühlt und eigentlich ist. Demgegenüber ist Tatemae das öffentliche Gesicht, verbunden mit den traditionellen Erwartungen und Pflichten des eigenen Standes. Honne und Tatemae können übereinstimmen, in der Regel überspielt Tatemae aber Honne, etwa in Form eines neutralen oder sanft lächelnden Gesichtsausdrucks. Übrigens: Auch in China kennt man das Prinzip des inneren (Honne) und äußeren Gesichts (Tatemae).

 

 Tianxia-Stil: Honne/Ninjo und Tatemae/Giri als Aspekte

Die Konzepte Honne und Ninjo bzw. Giri und Tatemae bieten sich natürlich wunderbar als eigene Aspektkategorien an, vor allem, weil sie einander so schön ausschließen. Der Giri-Aspekt würde also das besondere Verhältnis des Samurai zu seinem Clan, Daimyo oder Kaiser beschreiben. Er könnte ebenso die Mission oder das Pflichtgefühl des Samurais umreißen. Der Ninjo-Aspekt bezieht sich hingegen auf die wahren Gefühle des Samurai – das was er liebt, wofür er brennt oder was er sich im Geheimen wünscht. Vielleicht ist das eigentlich schon Dilemma genug, womit die gleichlautende Aspektkategorie u.U. wegfallen kann.

 

 

Der Giri-Ninjo-Konflikt

Honne und Tatemae, klingt ja gut, doch was ist mit der Umsetzung. Samurai sind schließlich keine Aufziehsoldaten, die ungerührt in Dauerschleife ihre Pflichten ausführen – das wäre ja auch langweilig. Die dünne Linie zwischen öffentlichem und privatem Selbstverständnis wird daher in Chanbara-Geschichten (und überhaupt fast allen japanischen Geschichten) absichtlich verwischt. Heraus kommt das, was in der Erzähltheorie als der Giri-Ninjo-Konflikt bekannt ist: Ein Zwiespalt zwischen Gehorchen und Fühlen, Tradition und Individualität. Die beiden Prinzipien Ninjo und Giri lassen sich dabei eng mit Honne und Tatemae in Zusammenhang bringen. Also, stellen wir die Kontrahenten vor.

 

In der roten Ecke: Ninjo!

Ninjo (人情) steht für das Gefühl: Das Wort besteht aus den Schriftzeichen für „Mensch” und „Emotion” bzw. „Umstände”, es steht demnach für das Allgemein-Menschliche. In Samuraigeschichten, die den Giri-Ninjo-Konflikt ausbreiten, schließt Ninjo an das Honne an – die wahren Gefühle, die der Samurai ob seinem sozialen Stand nicht zeigen kann. Mitgefühl und Ehrlichkeit, zwei der acht Tugenden des Bushido, kann man ebenfalls mit dem Ninjo in Zusammenhang sehen.

 

In der blauen Ecke: Giri!

Den Gegenpart zu Ninjo bildet Giri (義理). Da steckt ja bereits das Gi (義) aus dem Bushido drin, das zweite Zeichen verweist auf „Logik”, „Wahrheit” oder „Verabredung”. Also: „Verabredung der Pflicht”. Das soziale Gefüge des feudalen Japan verlangt von einem Samurai die absolute Treue gegenüber seinem Clansfürsten, dem Daimyo – bis in den Tod.  Außerdem ist der Samurai ein Repräsentant seines Standes – selbst dann, wenn er ein herrenloser Ronin ist – und muss sich entsprechend öffentlich gebaren, um keine Schande auf sich zu ziehen. Giri drückt diese unbedingte Treue zur Tradition aus und geht mit dem Tatemae Hand in Hand.

 

Fight!

In Samuraidramen stehen Ninjo und Giri grundsätzlich auf Kriegsfuß. Der soziale Druck, sich dem rigiden Ständesystem und dem Bushido gegenüber stets konform zu verhalten, lastet bereits schwer auf den Samurai. Wenn dann noch der Daimyo eine Anweisung gibt, die den Gefühlen des Samurai absolut zuwiderläuft, wird die Geschichte zum tragischen Selbstläufer. Oft ist eine weitere Person mit im Spiel, die die Gefühle in dem Samurai auslöst – undenkbar im feudalen Japan, dass emotionale Beziehungen seine Pflichten vernachlässigt und den guten Namen seines Clans beschmutzt. Bei Standesunterschieden wird es besonders heikel: Ein inniger Umgang mit Menschen aus niederen Ständen, den Heimin (also Bauern, Handwerkern, etc.) oder gar den als unrein empfundenen Eta (Metzger, Heiler, Totengräber und andere Berufe, die mit Blut, Fleisch und Tod arbeiten) geziemt sich für den Schwertadel keinesfalls.

 

 Tianxia-Stil: Got My Ninjo Working

Ein gefühlsduseliger Samurai kann sich einer ganzen Reihe an Verfehlungen schuldig machen, die an seiner Ehre nagen. Das Chanbara-Genre ist voll davon. Hier daher nur ein paar Beispiele:

  • Unstandesgemäße Liebe (z.B. ein Samurai, der leidenschaftlich einer Reisbäuerin verfällt)
  • Mitgefühl mit Schwächeren (z.B. ein Samurai, dem die geschröpften Leibeigenen unter der Knute seines Daimyos leid tun)
  • Freundschaft mit dem Feind (z.B. ein Samurai, der innige Dankbarkeit gegenüber einem Mitglied eines verfeindeten Clans hegt)
  • Gerechtigkeitsinn (z.B. ein Samurai, der einen zu Unrecht verurteilten Verbrecher, gegen die Autoritäten in Schutz nimmt)
  • Rachedurst (z.B. ein Samurai, der den Tod eines geliebten vergelten will, auch wenn das seinem Fürsten widerstrebt)

Derartige Probleme lassen sich natürlich auch wunderbar in einem Dilemma- oder einem Honne/Ninjo-Aspekt unterbringen (siehe oben).

Ronin und Giri

Liegt daran etwa Reiz, ein wandernder Ronin zu sein? Ohne eine konkrete Verpflichtung gegenüber einem Lehensherren, kann so ein ungebundener Samurai doch zu seinen Gefühlen stehen, oder? Würde man denken. Aber der Bushido und die soziale Prägung des feudalen Japans schüttelt man nicht so einfach ab. Giri umfasst alle sozialen Klassen und selbst den flohgeplagtesten Landstreicher von einem Ronin wird ein pflichteifriger Bauer wie einen Fürst behandeln.

 

Seiner alten Rolle ist der Ronin also immer noch ein stückweit verpflichtet – sie hat ihn ja sein ganzes Leben lang begleitet. Vielleicht ist ein Giri-Ninjo-Konflikt in der Vergangenheit sogar für das Ronin-Dasein des Charakters verantwortlich: Ein Samurai kann sich entscheiden, Clan und Lehnsherr nach schwerer Schande zurückzulassen, statt Seppuku zu begehen. Diese alten Wunden können natürlich jederzeit wieder aufreißen. Doch womöglich zieht der Ex-Samurai auch Kraft aus seinen früheren Gefühlen – Rückblenden (vgl. Fate-Handbuch, S. 65) bieten sich da zum Beispiel an.

 Ken-Geki-Stil: Ninjo Attack!

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, Giri-Ninjo-Konflikte regeltechnisch ins Spiel einzubinden, am einfachsten sicher über die Honne- und Tatemae-Aspekte.

Eine etwas aufwändigere Variante wäre eine Ehre-Stressleiste. Die Anzahl Stresskästchen basiert auf dem Chi des Charakters. In einer Szene, wo der Samurai hin- und hergerissen ist zwischen Pflicht und Gefühl, entspinnt sich ein Wettstreit oder kurzer Konflikt. Die Situation oder die daran beteiligten Charaktere (man denke an erbarmungswürdig flehende Bauern oder die Verlockungen eines attraktiven Partners) greifen den Samurai mit Provozieren, Charisma oder sogar Empathie an, der Samurai verteidigt mit Chi oder Wille. Stress sind diese kleinen, goldenen Risse in der Ehre des Samurais, denn seine Emotionen kochen hoch. Konsequenzen sind dann echte unehrenhafte Taten, die der Samurai begeht. Hier sollte die SL-Fate-Punkte springen lassen, um den Spieler zu Handlungen entgegen seinen Clans-Pflichten zu bewegen.

Auch eine Idee ist, dem Spieler zuzugestehen Ehre-Konsequenzen anstelle von Körperlichen oder Mentalen Konsequenzen zu nehmen. Der Haken: Der Spieler muss beschreiben, wie der Charakter etwas Unehrenhaftes tut oder zur Schau stellt, um den Stress loszuwerden.

Geheilt werden Stress und Konsequenzen durch bußfertige Taten für den Clan oder den Daimyo. Wenn ihr mit Extremen Konsequenzen spielt, ist der Aspekt, der umzuschreiben ist, definitiv derTatemae-Aspekt. Der nimmt nämlich unwiderruflich Schaden und könnte sogar ein Schicksal als Ronin oder Seppuku-Leiche nach sich ziehen.

Letztlich liegt es immer in der Hand des Spielers, wie sein Samurai den Bushido für sich auslegt und welche Gefühlsregungen ihn in Sinnkrisen stürzen. Im klassischen Chanbara schubst das Giri-Ninjo-Dilemma seine Protagonisten eine tragische Abwärtsspirale hinunter. Endstation: Exitus – wahlweise durch das eigene Schwert im Seppuku oder die Schwerter seiner Feinde und ehemaligen Verbündeten.

 

Muss aber natürlich nicht so laufen. Ein bisschen Giri-Ninjo-Beef kann genausogut eine starke Motivation sein, die eigene Kampfkunst zu schulen – damit man das System, das einen unterdrückt, umso gekonnter kurz und klein hauen kann.

 


Tenka, die grobe Übersetzung für Tianxia ins japanische.
Tenka ist die Überschrift einer Artikelreihe die sich mit dem Gedanken befasst die Tianxia-Regeln für japanisch inspirierte Hintergrundwelten zu nutzen.
Wer an Legends of the Five Rings mit Fate Regeln denkt ist hier also goldrichtig.
Hier findest du alle früheren Blog-Artikel zu Tianxia und hier alle zur Themenserie Tenka.

 


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Tianxia: Jade, Seide & Blut

Tianxia #25: Samurai – Tenka – Der Weg des Kriegers

Im Artikel „Wuxia trifft Chanbara” habe ich schon die Unterschiede betrachtet, die offensichtlich werden, wenn Xia und Samurai sich in den Kampf stürzen. Aber wie sie kämpfen ist längst nicht so wichtig wie die Frage: Wofür kämpfen sie eigentlich? Oder besser: Woran glauben sie. Denn auch da sind Xia und Samurai oftmals über kreuz.

 

Ein Wuxia-Held ist vor allem seinem eigenen Gewissen verpflichtet. Viele Helden chinesischer Kampfkunstgeschichten reisen ungebunden umher, stellen sich ohne zu Zögern offiziellen Autoritäten entgegen und suchen die persönliche Selbstverwirklichung.

 

Im japanischen Samurai-Genre haben diesen Luxus eigentlich nur die Ronin – und die haben mangels geregeltem Einkommen ganz andere Probleme. Zugegeben, Ronin sind in aller Regel die Protagonisten in Chanbara-Geschichten, einfach weil sie letztlich auf niemanden hören müssen. Der Löwenanteil der Samurai ist aber seinem Lehnsherren, dem Daimyo, verpflichtet, der von ihm unbedingten Gehorsam erwartet. Chanbara-Helden sind daher häufig viel stärker in die Gesellschaft und Politik eingebunden als Wuxia-Helden. Selbst die ach so freiheitlichen Ronin sind von ihrer früheren Rolle im Schwertadel des Shoguns stark geprägt. Sich offen gegen offizielle Machthaber zu stellen – das führt den Samurai geradewegs in den moralischen Konflikt.

Der Bushido

Im Zentrum dieses autoritätsgläubigen Selbstverständnis vieler Samurai steht der Bushido. Von Kindesbeinen an wurden Mitglieder von Samurai-Klans in diesem ihnen ureigenen Moral- und Kriegerkodex geschult. „Ureigen” bedeutet dabei vor allem  „aus den Lehren der vorherrschenden Philosophien im mittelalterlichen Japan zusammengeklebt”:

 

  • Buddhismus (Bescheidenheit, innere Ruhe, Abgekoppeltheit von materiellen Dingen)
  • Shintōismus (Verehrung der Ahnen, Selbstkenntnis, Patriotismus)
  • Konfuzianismus (Gehorsam und Loyalität gegenüber Autoritäten)

 

Tatsächlich hätte die Erwähnung des Wortes Bushido, das wir heute untrennbar mit den Samurai verbinden, in der Edo-Zeit wahrscheinlich nur Fragezeichen auf die Gesichter der japanischen Krieger gezaubert – die waren nämlich alle beinharte Anhänger des Konfuzius. Die Verbreitung des Begriffs verdanken wir tatsächlich dem japanischen Wissenschaftler und Autor Nitobe Inazo. In seinem Buch „Bushido: Die Seele Japans” von 1900 setzte er den Begriff in Japan und in Übersee durch. Nitobe gehörte zum Nambu-Klan, war also selbst in eine Samurai-Familie geboren worden. Es heißt, er habe das Wort Bushido selbst erdacht, tatsächlich weisen Quellen es aber schon in der Tokugawa-Periode im 17. Jahrhundert nach.

 

Und hier kommt die Ironie: Unter der Herrschaft von Shogun Tokugawa endeten die inneren Konflikte und Kriege, die Japan zuvor geplagt hatten. Seine Zeit war eine Zeit des relativen Friedens, in der die Samurai nicht mehr auf dem Schlachtfeld, sondern vor allem in den Amtsstuben als Verwalter und Repräsentanten gefragt waren. Der Begriff Bushido kam also auf, als man die Loyalität der Samurai zum Shogun und seinen Daimyo im Staatsapparat untermauern musste. In den Schulen der Samurai standen plötzlich also nicht mehr ausschließlich Budo (noch ein Begriff für „Weg des Kriegers”, der für die japanischen Kampfkünste steht), sondern auch Literatur, Philosophie, Geschichte und Kalligraphie auf dem Lehrplan.

Samurai und der Tod

Mit einem martialischen Kriegerkodex aufgezogen zu werden, aber dann doch nur mit Pinsel und Reispapier zu kämpfen”, das trieb natürlich viele Samurai um. Anfang des 18. Jahrhunderts machte der Samurai und Zen-Mönch Tsunetomo Yamamoto seinem Ärger Luft. Es entstand das Hagakure (dt. Hinter den Blättern” oder Von Blättern versteckt”), eine Sammlung aus ca. 1 300 Lektionen, Aphorismen und Geschichten, in denen der Kriegergeist der Samurai beschworen und die Tokugawa-Zeit als dekadent verachtet wird.

 

Tsunetomo sah den Weg des Samurai vor allem als den Weg des Sterbens und beschreibt die freiwillige Aufgabe des eigenen Lebens für den Fürsten als die wichtigste Tugend der Samurai. Er formuliert es so:

 

„Jeden Tag […] sollte man darüber meditieren, wie man durch Pfeile, Gewehre, Speere und Schwerter zerrissen, von brandenden Wogen hinfort gespült, in ein loderndes Feuer geworfen oder vom Blitz getroffen werden kann, wie man bei einem Erdbeben zu Tode kommen, von einer tausend Fuß hohen Klippe stürzen, an einer Krankheit sterben oder über den Tod seines Herren Sepukku begehen kann. Und an jedem Tag, ohne Ausnahme, sollte man sich als tot betrachten. Darin liegt das Wesen des Weges des Samurai.”

Ganz so schonungslos brauchen wir es für eine locker-flockige Rollenspielrunde natürlich nicht. Trotzdem ist es für einen Samurai-Charakter in Tianxia ein guter Anhaltspunkt dafür, warum er sich in diesen aussichtslosen Kampf mit dem Fürchterlichen Wu oder Genpatchi, dem Dämonen-Buke, stürzt. Vielleicht ist es weder Getriebenheit, noch Adrenalin-Sucht oder pathetischer Heldenmut. Vielleicht hat der Tod für den Charakter auch einfach seinen Schrecken verloren.

Seppuku

Die Todesverachtung der Samurai machte auch den gesellschaftlichen Umgang im alten Japan zu einer manchmal sehr blutigen Angelegenheit. Das eigene Leben zählte für Samurai wenig, umso mehr jedoch der eigene Leumund und das Ansehen seines Clans. Das Gesicht (jap. Mentsu) zu verlieren war daher eine Frage von Leben und Tod. Wenn er Schande auf seinen Clan lud etwa durch eine Niederlage oder Pflichtvergessenheit, endete dies im rituellen Selbstmord, dem Seppuku. Durch das Aufgeben des eigenen Lebens konnte der Samurai so seine Familie vor Schande bewahren.

 

Während des Rituals schnitt der Samurai sich unter offiziellen Zeugen den Bauch mit einem Dolch auf, um die Seele entweichen zu lassen. Dann wurde ihm von einem Sekundanten, meist einem engen Vertrauten, mit einem Schwert die Halswirbelsäule durchtrennt. Auch beim Tod seines Daimyos durfte ein Samurai den Freitod wählen, um einem Leben als Ronin zu entgehen.

 

Damit ein Seppuku aber überhaupt als solcher anerkannt wurde, durfte der Samurai weder Reaktionen von Schmerz zeigen noch von Furcht. Mitunter galt es daher bereits schon dann als Seppuku, wenn der Samurai überhaupt nach dem Dolch griff – der Sekundant holte bereits dann zum tödlichen Schlag aus. In späteren Epochen lag dort, gerade bei Kindern oder empfindlichen Samurai, daher häufiger ein Fächer oder ein Sperrstrauch-Zweig. Vor jedem Seppuku gab man dem Samurai auch mehrere Monate Zeit, sich auf seinen Selbstmord vorzubereiten. Am Tag des Rituals verfasste der Samurai dann ein Totengedicht (meist ein Haiku).

 

Ken-Geki-Stil: Seppuku nach Regeln

Gleich vorweg: Samurai, die sich selbst den Bauch aufschlitzen, sind harter Tobak und sicher nichts für ein leichtherziges Tianxia-Erlebnis – besprecht das auf jeden Fall vorher am Spieltisch, ob alle einverstanden sind. Wenn ihr dnneine grimmige Samurai-Geschichte im „Legend of the Five Rings”-Stil spielen und Seppuku auch regeltechnisch abbilden wollt, bieten sich diese Variante an.

 

Der Seppuku-Wettstreit

Seppuku ist eine Abfolge von 3 Überwinden-Würfen, die der Samurai machen muss. Statt eines Gegners, der gegen würfelt, wie bei einem Wettstreit üblich, würfelt der Charakter gegen eine statische Schwierigkeit, die mit jedem Wurf steigt. Alternativ kann auch der Offizielle, der den Seppuku beobachtet als Gegner hergenommen werden.

 

  1. Vorbereitung – Das Todesgedicht: Vor dem Seppuku hat der Charakter die Möglichkeit sich beim Schreiben des Todesgedichtes noch etwas zu fassen und in sich hinein zu horchen. Das wird als Vorteil-erschaffen-Wurf mit Empathie abgehandelt, der dann beim Seppuku eingesetzt werden kann. Poetisch versierte Spieler können den Aspekt sogar selbst wie ein Haiku verfassen. Bei Misserfolg darf die SL den Aspekt frei nutzen: Das Gedicht hat den gegenteiligen Effekt und bindet den Charakter stärker ans Leben.
  2. Erster Wurf – Den Dolch nehmen: Das Ritual beginnt, der Charakter muss nach dem Dolch greifen. Dies erfordert einen Überwinden-Wurf auf Wille (Gute Schwierigkeit, +3; Empathie als Fertigkeit des Gegners ).
  3. Zweiter Wurf – Bauchschnitt: Der Charakter sticht sich in den Bauch. Dieser Überwinden-Wurf wird mit Kraft ausgeführt (Großartige Schwierigkeit, +4; Wahrnehmung als Fertigkeit des Gegners ).
  4. Dritter Wurf – Kopf neigen: Der Charakter senkt das Haupt, um dem Sekundanten die Möglichkeit zum finalen Schlag zu geben. Er haucht seine Seele aus und schließt mit dem Leben ab. Dieser Überwinden-Wurf geht auf Chi (Großartige Schwierigkeit, +4; Empathie als Fertigkeit des Gegners ).

 

Der Spieler muss mehr Siegpunkte erlangen, als der SL. Ein gelungener Wurf bei den Würfen 2 bis 4 gewährt 1 Siegpunkt. Bei einem Vollen Erfolg kann er sogar 2 Siegpunkte einstreichen (vgl. Fate Core, S. 159). Bei Misserfolgen zögert der Charakter oder hat emotionale Ausbrüche, wodurch sein Seppuku nicht so sauber anerkannt wird.

 

Gelingt der Seppuku, ist die Schande des Charakters beglichen (siehe dazu auch meinen Artikel „Ninjo vs. Giri”, der bald erscheint). Alternativ kann Seppuku auch mit einem einzelnen Überwinden-Wurf abgehandelt werden.

Die Werte der Samurai

Wir haben gerade gesehen, was einem Samurai blüht, wenn er sich von den Wertvorstellungen des Bushido abwendet. Was aber sind diese Werte, denen sich die Samurai laut ihrem Kodex verpflichtet fühlen? Da gibt es in historischen Quellen unterschiedliche Sichtweisen. Nitobe Inazo stellt in seinem Buch zum Bushido die folgenden 8 Tugenden aus. Mit ihnen lässt sich im Rollenspiel gut arbeiten.

 

Gi (義): Geradlinigkeit: Samurai tun das, was sie tun, mit voller Überzeugung. Er lehnt Falschheit und Tücke ab. Er entscheidet sich nach rationalen Gesichtspunkten für einen Kurs und bleibt dabei.

 

Yu (勇): Mut: Samurai stürzen sich nicht Hals über Kopf in unnötige Risiken, doch sie akzeptieren den Tod und leben das Leben in all seiner Fülle. Mutige Samurai sind auch ruhig und gelassen und kennen ihre innere Mitte.

 

Jin (仁): Mildtätigkeit: Samurai sind hilfsbereit. Ihre besondere Stellung und ihr heroisches Können setzt sie in die Pflicht, den Schwächeren zu helfen. Dieses Gefühl ist stark verbunden mit Kunst und Musik.

 

Rei (礼): Höflichkeit: Samurai kennen ihren Platz in der Gesellschaft. Sie verhalten sich höflich im Umgang mit anderen ihrer Kaste. Zu prahlen steht ihnen nicht zu. Zurückhaltung und die Kontrolle der eigenen Emotionen sind wichtiger.

 

Makoto (誠): Wahrhaftigkeit: Samurai sind aufrichtig. Wenn sie verkünden, dass sie etwas tun, dann ist es so gut wie getan. Sie müssen nichts beteuern, sondern sie sprechen durch ihre Taten. Die Lüge sehen sie als Schwäche.

 

Meiyo (名誉): Ehre: Samurai sind Ehre und Charakterstärke wichtiger als ihr Leben. Ihre Handlungen reflektieren auch auf ihre Familie und ihren Samurai-Clan, denen sie keine Schande bereiten dürfen.

 

Chūgi (忠義): Loyalität: Samurai sind ihrem Daimyo, und ihrem Kaiser oder Shogun zu unbedingter Treue verpflichtet. Ein herrenloser Samurai, ein Ronin, zu werden, verdammt einen von ihnen zu einem einsamen Schicksal.

 

Jisei (自制): Selbstkontrolle: Samurai haben einen starken Willen und lassen sich von nichts von ihrem gewählten Pfad abbringen.Sie sind ein Muster an Zurückhaltung und Ausdauer.

 

Soweit allerdings nur die Theorie.

 

In der Praxis ist die Sache nicht so einfach. Das geht schon damit los, dass die genannten Tugenden während der japanischen Historie immer wieder neu gedeutet wurden. Viele Experten gehen davon aus, dass Nitobe Inazo seinen Bushido ordentlich idealisiert und romantisiert hat. In anderen Epochen sind sie sicherlich viel bodenständiger interpretiert worden.

 

Ken-Geki-Stil: Samuraitugenden als Methoden?

Die Methoden in Turbo-Fate funktionieren ja prinzipiell schon ganz gut. Wenn ihr sie mehr an die Samurai-Tugenden des Bushido angleichen wollt, dann zeigt sich, dass bestimmte Tugenden sich gut mit bestimmten Tugenden verbinden lassen.

 

Kraftvoll – Mut, Geradlinigkeit

Schnell – Mut, Geradlinigkeit

Sorgfältig – Mildtätigkeit, Selbstkontrolle, Höflichkeit

Scharfsinnig – Selbstkontrolle, Wahrhaftigkeit

Tollkühn – Mut, Ehre, Höflichkeit, Loyalität

Tückisch – Gar keine… das ist nun wirklich unter der Würde eines Samurai… oder etwa doch nicht?

 

Als Ersatz für die Methoden halten sie doch nicht so recht her (habe ich mich wohl etwas weit aus dem Fenster gelehnt, im Einleitungsartikel). Wenn ihr das Idealbild eines Samurai in eigens dafür erstellte Methoden gießen wollt, habe ich hier einen Vorschlag (in Klammern jeweils die beigeordneten Tugenden und Methoden).

 

Körper (= Geradlinigkeit, Kraftvoll)

Alles, was man mit Kraft, Gewalt und Ausdauer anrichtet, nutzt die Methode Körper. Auch brutale und grobschlächtige Angriffe fallen darunter. Bestimmt die Stressleiste, wenn höher als Name.

O C A

 

Hand (= Geradlinigkeit, Schnell, Sorgfältig, Höflichkeit)

Wenn es auf Feinmanipulation, Kunstfertigkeit und Präzision ankommt, ist Hand die Methode der Wahl. Auch Verteidigen tut ein Charakter mit dieser Methode.

O C D

 

Herz (= Mut, Mitgefühl, Sorgfältig, Tollkühn)

Willensentscheidungen, Empathie und Muse sind Sache des Herzens. Und um im Angesicht eines schrecklichen Gegners nicht zu verzagen, benötigt man ebenfalls ein starkes Herz.

O C D

 

Geist (= Selbstkontrolle, Scharfsinnig)

Rationale Entscheidungen trifft der Geist und diese Methode verwaltet auch die Erinnerungen, löst die Rätsel und führt die hitzigen Wortgefechte.

O C A

 

Name (Ehre, Loyalität, Höflichkeit, Tollkühn)

Der Name eines Samurai und damit sein Gesicht, sein Leumund und seine Ehre, sind einem Samurai enorm wichtig. Er kann ihn in sozialen Situationen geltend machen und sich auf die Tugenden der Samurai besinnen. Bestimmt die Stressleiste, wenn höher als Körper.

O C D

 

Schatten (Heimtückisch)

Diese Methode umfasst all das, was der Samurai bei sich nicht sehen will, was aber dennoch Teil des menschlichen Seins ist: Heimtücke, Lüge, Hinterhalt und Winkelzüge.

O C A

 

Diese Tugenden zu verwenden erzeugt natürlich ein gänzlich anderes Spielgefühl als Turbo-Tianxia und ist nicht wirklich damit kompatibel. Es ist auf reine Samurai-Geschichten ausgelegt.

Sich mit dem Hagakure oder auch Miyamoto Musashis Buch der Fünf Ringe zu beschäftigen, ist für jeden Spieler eines Samurais lohnenswert, um dem Charakter ein bisschen Farbe zu geben. Aber Vorsicht: Seinen Samurai zum tugendhaften Supermann zu machen, geht schon etwas gegen des Strich des Chanbara-Genres. Und auch der historische Samurai war natürlich nicht in allem höflich, mildtätig, ehrlich oder geradlinig, sondern wohl hauptsächlich eins: Menschlich. Es ist das Hadern mit dem Bushido, die einer Geschichte die richtige Würze gibt.

 


Tenka, die grobe Übersetzung für Tianxia ins japanische.
Tenka ist die Überschrift einer Artikelreihe die sich mit dem Gedanken befasst die Tianxia-Regeln für japanisch inspirierte Hintergrundwelten zu nutzen.
Wer an Legends of the Five Rings mit Fate Regeln denkt ist hier also goldrichtig.
Hier findest du alle früheren Blog-Artikel zu Tianxia und hier alle zur Themenserie Tenka.

 


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Tianxia #23: Samurai – Neue Stile

Die Kampfkünstler von Shenzhōu sind sicher stolz ihre Martial-Arts-Tradition. Fragt nur den letzten Teehausschläger, der mehr unter dem selbstgefälligen Grinsen eines Xia gelitten hat als unter dessen schwungvollen Tritten. Einem solchen Kung-Fu-Snob vergeht das Lachen, sobald er sich gegen den exotischen Kampfstil eines Samurai wehren muss. Kampfkunst überspannt Grenzen und Kulturen – die Element- und Körperstile des Kaiserreiches werden bei den Samurai des Ostens mit ebensolchem Eifer unterrichtet wie in den Dojos in Zhōngzhōu. Darüber hinaus hat die Kriegerkultur jenseits des Meeres einige einzigartige Stil hervorgebracht. Viel Raum für philosophischen Disput also, der mit Vorliebe mit Faust und Klinge ausgetragen wird: Wenn Wuxia auf Chanbara trifft, fliegen eben die Fetzen.

Neuer Element-Unterstil

Prinzipiell sind alle Element-Unterstile Shenzhous auch den Samurai der östlichen Reiche bekannt (mit einer gewissen Dominanz der „unaufgeregteren” Stile wie Stein, Geist und Eisen). Dazu kommt allerdings noch ein weiteres Element, im Kaiserreich kaum beachtetes Element, das im Selbstverständnis der Samurai hingegen eine wichtige Bedeutung hat.

Leere

Alternative Bezeichnungen: Tod, Nichts, Stille, Schweigend

Die Shi, die in den verstaubten Archiven der kaiserlichen Hauptstadt tagein tagaus die Gestalt des Universums zerdenken, sehen im Element Leere einfach eine Überzeichnung des Geist-Elements – wie diese Barbaren im Osten immer alles übertreiben müssen. Die Shinshoku im Schrein der Morgenflamme würden entschieden widersprechen. Aber so genau wissen können sie es auch nicht. Die Leere (in der Sprache der Samurai-Reiche auch Kū” genannt) liegt außerhalb allen Wissens und aller Existenz. Im Gegensatz zum Geist-Element, das auf die Existenz von Göttern, dem Himmel und der Seele verweist, ist die Leere alles das, was nicht ist. Kämpfer, die die Leere verinnerlicht haben, erkennt man an ihrer absoluten Todesverachtung und Disziplin. Sie leben im Augenblick und durchdringen den Gegner mit ihren Blicken, scheinbar regungslos, bis zu dem Moment, wo sie abrupt tätig werden. Schmerzen und Verletzungen bedeuten ihnen nichts.

Leeretechniken

Leere zwischen zwei Augenblicken: Für jede Zone, die der Gegner vor seinem Angriff gegen dich zurücklegen musste, erhältst du einen Bonus von +1 auf deine Verteidigung.

Nichtigkeit des Seins: Wenn dein Gegner dich erfolgreich im Nahkampf oder Fernkampf angreift, darfst du geistige Stresskästchen statt körperlichen abstreichen. Du darfst den körperlichen Stress sogar auf beide Leisten verteilen. In jedem Fall musst du allerdings 2 zusätzliche Kästchen abstreichen und darfst auch keine geistigen Konsequenzen nutzen, um körperlichen Stress aufzufangen.

Leere füllt den Raum: Du kannst Chi anstelle von Wahrnehmung verwenden, um deine Umgebung und die Personen darin zu beobachten und einzuschätzen. Du erhältst einen Bonus von +2, wenn die Fertigkeiten Chi und Wahrnehmung denselben Wert haben oder Wahrnehmung einen höheren Wert besitzt.

Neue Körper-Unterstile

Man könnte meinen Kampfkünstler täten nichts lieber als wilde Tiere zu beobachten und ihre Verhaltensweisen in durchschlagende Kung-Fu-Manöver zu übersetzen. Was dabei herauskommt ist natürlich stark davon abhängig, welche Tiere zur Verfügung stehen. Die exotische Fauna der östlichen Inseln bietet eine Menge Anschauungsmaterial, aus dem die Bewohner der Samurai-Reiche interessante wie tödliche Kampfstile destilliert haben.

Hier sei gesagt, dass sich die Praktizierer dieser Stile, gerade in den Reihen der Samurai, lieber scharfe Waffen als Fäuste und Füße sprechen lassen. Neben dem Katana und dem Wakizashi, dem langen und kurzen gekrümmten Schwert, sind die folgenden Waffen gebräuchlich:

  • Die Naginata, eine gekrümmte Schwertlanze
  • Die Kama, eine Handsichel, manchmal auch an einer Kette befertigt
  • Der Ōtsuchi, ein breiter Holzhammer
  • Die Ono, eine schwere Handaxt
  • Das Sai, eine Metallgabel mit einem langen und zwei kurzen stumpfen Zinken
  • Der Kanabō, ein schlanker, zweihändiger Streikolben
  • Der Tessen und der Gunpai, Kampffächer aus Holz oder Eisen

Selbstverständlich existieren alle der hier vorgestellten Stile auch in unbewaffneten Varianten.

Wolf

Alternative Bezeichnungen: Hund, Wächterlöwe, Ruishi

Wie die starken Kiefer eines ausgehungerten Wolfsrudels beißen sich Kämpfer dieses Stils an ihrem Gegner fest. Phasen der Einschüchterung durch Androhung von Gewalt wechseln sich mit schnellen, kraftvollen Hieben ab. Dabei begibt sich der Wolfskämpfer freiwillig nah an den Gegner heran und nimmt ihm so seine Bewegungsfreiheit. Nur zu gerne offenbart der Wolfskämpfer dabei eigene Lücken, um den Gegner zum Angriff zu provozieren – scheinbare Lücken, denn wenn sich die Kontrahenten erst einmal im Infight befinden, lässt der Wolfskämpfer nicht mehr von ihm ab.

Wolfstechniken

Wolf fletscht die Zähne: Erhalte einen Bonus von +2, wenn du mit Provozieren oder Wille einer Vorteil erschaffst, der darauf basiert den Gegner einzuschüchtern oder aus der Reserve zu locken.

Wolf steht gegen die Wand: Wenn du eine körperliche Konsequenz erleidest, erhältst du selbst einen freien Aufruf auf diese Konsequenz, den du für einen Bonus nutzen kannst.

Wolf zerstreut die Herde: Wenn du mit Kämpfen einen Mob angreifst, erhältst du bei einem erfolgreichen Angriff immer einen Schub zusätzlich. Bei einem vollen Erfolg musst du somit den Stress nicht um 1 reduzieren, um den Schub zu erhalten.

Schmetterling

Alternative Bezeichnungen: Motte, Biene

Schnelligkeit und disziplinierte Anmut bestimmen den Kampfstil eines Schmetterlingskämpfers – sobald er denn handelt. In der Tat halten sich viele Schmetterlingskämpfer mit großen und ausladenden Bewegungen zurück. Stattdessen passen sie den richtigen Moment ab und führen dann eine Serie aus blitzartigen, linearen Schlägen aus, die an flatternde Fügel gemahnen, bevor sie, ausatmend, wieder eine meditative, stille Haltung einnehmen. Bei den Samurai ist dieser Stil sehr beliebt und bei den Meister unter ihnen wirkt das Ziehen, Zuschlagen und Wegstecken des Schwert wie eine einzelne, fließende Bewegung.

Schmetterlingstechniken

Schmetterling ruht auf der Blüte: Wenn du in der Runde keine Zonenbewegung durchführst, erhältst du einen Bonus von +2 auf Kämpfen, wenn du angreifst.

Schmetterling entfaltet die Farben: Wenn ein Gegner mit einem vollen Erfolg einen Vorteil gegen dich erschafft, darfst du 1 Kästchen körperlichen Stress heilen.

Schmetterling zerreißt den Kokon: Wenn du einen Gegner angreifst, den du in diesem Konflikt noch nicht angegriffen hast, und dabei eine Konsequenz anrichtest, dann muss der Gegner die Konsequenz der nächsthöheren Stufe nehmen (z.B. eine mittlere Konsequenz statt einer milden Konsequenz). Hat der Gegner keine weiteren Konsequenzen mehr zur Verfügung, scheidet er aus dem Konflikt aus.

Fuchs

Alternative Bezeichnungen: Marderhund, Tanuki

Auf den Inseln im Osten der Küste Shenzhōus gilt der Fuchs als Tier, das der Sphäre der Götter und Unsterblichen am nächsten steht. Ein Störenfried und Plagegeist ist er trotzdem. Fuchskämpfer sind ebenfalls bekannt für ihren sehr spontanen, ungezwungenen Kampfstil, der vor allem auf Verwirrtaktiken und Ausweichmanövern basiert. Anders als der Affenkämpfer springt der Fuchskämpfer dabei aber nicht hemmungslos umher, sondern setzt auf kleine Bewegungen und ein strahlendes Selbstbewusstsein.

Fuchstechniken

Fuchs neckt den Jäger: Wenn ein Gegner dich mit einem vollen Erfolg angreift, erhältst du einen Schub gegen ihn.

Fuchs putzt seine neun Schweife: Wenn ein Gegner einen Vorteil gegen dich einsetzt, der darauf basiert, dich zu verwirren oder zu betäuben, ist der Bonus, den er dadurch erhält um 1 geringer.

Fuchs springt ins Dickicht: Wenn du einen vollen Erfolg bei der Verteidigung erzielst, darfst du dich zusätzlich zum Schub den du erhältst noch 1 Zone bewegen.

Beispielstile

Zum Schluss noch ein paar Kombinationsmöglichkeiten. Was weitere angeht verlasse ich mich ganz auf eure Kreativität.

Eisenwolf

Eisenwolf-Form

Meister des Eisenwolfs haben gelernt, ohne Rücksicht auf Verluste oder das eigene Leben zu kämpfen. Sie werfen sich den Schlägen ihrer Gegner regelrecht entgegen und nutzen Griffe und Schwitzkästen, um auch die härtesten ihrer Kontrahenten zu Fall zu bringen und dann über sie herzufallen. Dabei bleiben sie immer nur einen Armlänge, einen Fußbreit am Gegner, um diesem gar nicht erst die Möglichkeit zu geben, großartige Bewegungen auszuführen – auch wenn der Eisenwolf-Kämpfer selbst dadurch ordentlich einstecken muss.

Geheimtechnik: Eisenzähne zerreißen die BeineDieser brutale Angriff zielt direkt auf den Bewegungsapparat des Gegners. Der Eisenwolf-Kämpfer kommt nah heran, und drängt seinen Widersacher in eine Position der Unbeweglichkeit, bevor er seine Attacken gegen dessen Beine und Unterleib richtet.

Effekt: Gib 1 Fatepunkt aus und mach einen Kämpfen-Angriff gegen das Ziel. Bei Gleichstand oder einem Erfolg erschaffst du den Vorteil Eingeschränkte Bewegung”, zusätzlich zu dem Schaden, den der Angriff anrichtet. Bei einem vollen Erfolg erhält der Vorteil 1 freien Einsatz.

Sturmschmetterling

Sturmschmetterling-Form

Wie das Auge des Sturms kontrollieren Meister des Sturmschmetterling-Stils die Gegebenheiten auf dem Schlachtfeld. Hindernisse umgehen sie, ohne großartige Akrobatik, sondern geradlinig und zielstrebig. Diese Haltung spiegelt sich auch im Kampfstil wieder. Jeder Hieb, Schlag oder Tritt hat ein knappes Timing und ist nur so dynamisch, wie er sein muss. Doch sobald er trifft, wirft er Dinge und Gegner herum und überträgt starke Bewegungen auf alles.

Geheimtechnik: Schmetterlingsflügel rufen den WirbelsturmGib 1 Fatepunkt aus. Du darfst mehrere Ziele in derselben Zone wie du angreifen, ungeachtet ob Mobs oder andere Nichtspielercharaktere. Dazu würfelst du einen Angriff und verteilst die Erfolgsstufen auf so viele Gegner wie du willst – bei einem Ergebnis von +6 kannst du beispielsweise drei gegen mit je 2 Erfolgsstufen angreifen. Dieser Angriffswurf erhält außerdem einen Bonus von +2

Leerefuchs

Leerefuchs-Form

Nihilisitische Scherze und gehässige Verwirrspiele, das verbindet man mit den Meistern des Leerefuchs-Stils. Das allgegenwärtige Grinsen auf dem Gesicht eines solchen Kämpfers ist meist wenig mehr als eine eisige Fassade und nicht wenige Kämpfer dieses Stils bevorzugen furchterregende Masken, die ihre Züge verbergen. Die Handkantenschläge und Hackentritte eines Leerefuchs-Kämpfers scheinen aus dem Nichts zu kommen und zunächst auch nicht zu schmerzen, nur um dann nach einer gefühlten Ewigkeit ihr Ziel mit kalter Pein zu erfüllen.

Geheimtechnik: Fuchsgesicht verlacht das DaseinWenn du eine Konsequenz anrichtest, kannst du den Schmerz zurückhalten. Dein Gegner erleidet die Konsequenz, aber sie bleibt inaktiv und kann in dieser Szene nicht gegen es eingesetzt werden – sie zählt aber, um zu bestimmen, ob der Charakter ausscheidet oder nicht. Bei der nächsten Begegnung mit dem Gegner wird die Konsequenz dann aktiviert und hat sich außerdem um 2 Stufen verschlimmert (aus einer milden wird eine schwere Konsequenz, aus einer mittleren eine extreme). Erst ab dann kann sie behandelt und geheilt werden.

 


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Tianxia #22: Samurai – Wuxia trifft Chanbara

Tianxia ist voller Gewalt.

Das klingt erst einmal hart. Aber seien wir doch ehrlich: Einen großen Teil des Reizes einer guten Wuxia-Story machen die furiosen Kampf-Choreographien aus. Sicher ist das nicht alles. Wir hätten da noch die gesellschaftskritischen Untertöne, das zwischenmenschliche Drama, die Jahrhunderte fernöstlicher Philosophie. All das steckt im Wuxia, gar keine Frage. Letztlich sind diese Dinge aber häufig eins: Treibstoff für die körperlichen Auseinandersetzungen.

Kämpfe sind quasi der Szechuan-Pfeffer in der Suppe.

Oder das Wasabi, wie man’s nimmt. Denn was für die Xia chinesischer Prägung gilt, gilt auch für die Helden aus den Ländern etwas weiter östlich. Auch das Chanbara-Genre lebt davon, dass die Katanas gekreuzt werden – steckt ja schon im Namen. In den folgenden Abschnitten stelle ich daher ein paar Regelkonzepte an, mit denen ihr Samurai-Charaktere und Chanbara-Kämpfe in eure Tianxia-Geschichten einbauen könnt.

Nicht vom gleichen Schlag

Also, wie bringt man jetzt die Schwerter der Samurai mittels Tianxia-Regeln zum Klingen?

Eigentlich ist das schon die falsche Frage. Wir müssen eine Ebene darüber ansetzen. Wenn die Schwerter sprechen unterscheiden sich das Chanbara- und das Wuxia-Genre nämlich ganz massiv voneinander. Vereinfacht auf den Punkt gebracht, ins Detail gehe ich später:

Chanbara

  • Blutrünstig
  • Stationär
  • Ist schnell vorbei

Wuxia

  • Ästhetisiert
  • Bewegt
  • Lässt sich Zeit

 

Und ja, der echte Kenner kann mir jetzt sicher hunderte Ausnahmen auf beiden Seiten des Spektrums nennen. Aber diese Tendenzen lassen sich gerade in den klassischen Vertretern der (Film-)Genres durchaus erkennen.

Für den Spieltisch bedeuten die Unterschiede zwischen den Genres vor allem eines: Man kann nicht beides haben. Also, man kann schon, allerdings nur auf der Ebene der Beschreibung. Und die steht bei einem Fate-Rollenspiel natürlich an erster Stelle. Die Würfel liefern uns nur Zahlen und die Aspekte narrativen Kontext. Interpretiert wird das ganze beim Beschreiben. Niemand verhindert, dass der Spieler eines Xia den Gegner in einen unblutigen Faustkampf zwei Meter über dem Erdboden verwickelt, während der Spieler des Samurai wild sprudelnde Blutfontänen in den gemeinsamen Vorstellungsraum fabuliert. Will man die Sache aber mit harten Regeln festigen, dann ächzt das ganze Konstrukt unter der Last der unterschiedlichen Genrekonventionen.

Die Grundfrage muss also lauten:

Möchte ich  Samurai-Kämpfer in eine Wuxia-Geschichte einbauen, im Rahmen der Tianxia-Regeln?

Oder möchte ich klassisches Chanbara spielen und die zugehörige Ästhetik in Regeln gießen?

Beide Fragen kann ich hier natürlich nur anreißen – was mich nicht davon abhält hier und da ein paar Vorschläge dafür zu machen: Sonderregeln, Umdeutungen und sogar ein oder zwei neue Stile (die allerdings ausgelagert, im nächsten Artikel.)

Regelkonzepte

Hallo, ich bin ein Regelkonzept. In diesem und weiteren Artikeln wirst du mir noch öfters begegnen. Ich stelle neue oder geänderte Mechaniken vor. Achte dabei auf meine Überschrift. Ich unterscheide nämlich Tianxia-Stil, für wuxia-eske Samurai (ein Ja für Frage 1) und Ken-Geki-Stil für klassisches Chanbara-Action (ein Ja für Frage 2). Seht das aber nicht als harte Trennung: Wie sehr ihr in die Ken-Geki- oder die Tianxia-Richtung tendiert, ist eurer Spielrunde überlassen. Bedient euch einfach!

Blut auf weißer Seide

Der offensichtlichste Unterschied zwischen Chanbara und Wuxia liegt in der Gewaltdarstellung. In vielen Wuxia-Filme, geht dem Abschlusstreffer, der den Kampf beendet ein minutenlanger Schlagabtausch hohen Schauwerten voraus. Bei „Tiger und Dragon‟ zum Beispiel sind die Kämpfe derart stilisiert, dass kaum ein Tropfen Blut fließt: Als Jen von Shu Lian beim Kampf in der Trainingshalle verwundet wird, ist ihr das nur ein kurzes Stirnrunzeln wert – und der Kamera nicht mal ein Bild der Wunde. Ihr Gewand bleibt makellos weiß.

Zum Vergleich: In Beat Takeshis „Zatoichi‟ schießt schon bei einem halbherzigen Treffer der Lebenssaftes aus dem Leib des Gegners. Der Schnitt in die Halsschlagader, die dann sofort eine nebelfeine Blutfontäne freigibt, ist zum Beispiel ein äußerst beliebtes Motiv im Chanbara-Film. In den letzten Jahrzehnten hat das Genre sogar nochmal ein paar Gallonen Blut und Dreck nachgekippt – braucht ihr nur Herrn Miike fragen.

Ken-Geki-Stil: Nur kein Stress

Wenige Schläge reichen aus, um im Chanbara einen Kampf zu beenden – häufig sogar nur ein einziger. Um diese erhöhte Tödlichkeit umzusetzen, bietet sich das Spiel ohne Stresskästchen an. Jeder Angriff, der die Verteidigung des Gegners überwindet, richtet damit automatisch eine Konsequenz an. Turbo-Tianxia, wo Charaktere nur über ein einziges Set an Konsequenzen verfügen, fängt das Samurai-Genre sogar noch akkurater ein: Hier kann dem tödlichen Abschlusstreffer durchaus ein mentales Ringen vorangehen, in dem sich die Kontrahenten gegenseitig provozieren oder einschätzen. In beiden Fällen sind Kampftechniken, die dem Kämpfer einen Rüstungswert verleihen, natürlich äußerst wertvoll (z.B, Stein trotzt dem Hieb oder Drache schläft im Nebel) –  und solche, die Angriffe verstärken, umso fataler. Die Volle Verteidigung (siehe Fate Core, S. 167) wird ein echter Lebensretter.Abseits der Kampftechniken bietet es sich an, Waffenwerte nur für legendäre Klingen (wie das Muramasa oder das Onimura) vorzusehen. Wenn euch das Spiel ohne Stress dann aber immer noch ein wenig zu tödlich ist, könnt ihr Charakteren zusätzliche Milde Konsequenzen zu erlauben: Sie erhalten 1 zusätzliche Milde Konsequenz bei einem guten Kraft-Wert (+3), eine weitere bei einem hervorragenden Kraft-Wert (+5). Das sorgt natürlich für deutlich mehr Aspekte am Spieltisch.

Eine besonders cineastische Alternative kann sein, mit kollateralen Konsequenzen zu arbeiten (siehe das Fate-Handbuch, S. 63). Damit lenken eure Samurai Schaden von sich ab, indem sie Schaden an der Umgebung anrichten, etwa an umstehenden Schaulustigen oder am Mobiliar. Voraussetzung ist hier natürlich, dass den Charakteren ihr Umfeld nicht vollkommen egal ist. Für loyale Samurai im Dienste eines Daimyō kann eine kollaterale Konsequenz aber auch auf seinen Clan oder seine Familie abzielen: Der Clan verliert an Einfluss oder Leumund, wichtige Besitztümer fallen in die Hände des Feindes oder das Versagen des Samurai wirft ein schlechtes Licht auf den Clan. Im Artikel Ninjo Vs. Giri” werde ich noch einmal genauer auf Clansloyalität und persönliche Ehre des Samuraidaseins eingehen.

Zu guter Letzt könnte auch die Chi-Rüstung als letztes Bollwerk gegen den Tod herhalten – so ihr sie nicht durch den Ki-Fokus (siehe unten) ersetzt habt. So könntet ihr zum Beispiel erlauben, dass ein Samurai einen Fatepunkt oder freien Aufruf einsetzen kann, um seine Chi-Rüstung zu verbrennen. Er kann dadurch gleich 6 Stufen Schaden abwehren, darf den Aspekt aber für den Rest der Szene nicht mehr nutzen – egal, was da noch kommen mag.

Ein Duell des Willens

Damit der Samurai Rot übers Frame spritzen lassen kann, muss der Schlag natürlich auch sitzen.  Im Vergleich zu seinem Wuxia-Kollegen greift ein Chanbara-Held in der Regel weniger beherzt an.

 

Dem eigentlichen Klingenkreuzen geht eine Phase voraus, in der die Duellanten sich gegenseitig beobachten. Sie bewegen sich parallel zu einander, umtänzeln sich. Stechender Augenkontakt. Dann aufeinander zu. Klinge trifft Klinge oder Klinge trifft Fleisch. Im ersten Fall geht das Prozedere wieder von vorne los. Im anderen Fall… war es das. Wie dieses gegenseitige Umtänzeln aussehen kann, zeigt sich z.B. in Masaki Kobayashis Film „Harakiri‟ beim Kampf zwischen Hikokuro und Hanshirō. Sehr viele Samurai-Filme enthalten diese intensiven Momente, in denen das Duell zuerst mit dem Geist und dann mit der Klinge ausgefochten wird. Im Schlussduell von „Sanjuro‟, um ein weiteres Beispiel zu nennen, rufen sich die Kontrahenten zunächst im Gespräch ins Bewusstsein, warum sie kämpfen, bevor ein einzelner Schlag dann die Sache entscheidet.

 Tianxia-Stil: Ki-Fokus

Wenn ihr japanische und chinesische Kampfkünste – oder die entsprechenden Äquivalente im Tianxia-Setting – stärker voneinander abgrenzen wollt, könnt ihr die Fertigkeit Chi für Samurai und ähnliche Charaktere in Ki umtaufen. Im Prinzip ist das einfach die japanische Übersetzung, trägt also lediglich ein wenig zum Flair bei. Wer einen Schritt weitergehen möchte, könnte Ki-Nutzern allerdings die Chi-Rüstung verwehren (siehe Tianxia,  S. 63).

Stattdessen können Samurai-Charaktere in einer Kampfszene einen Ki-Fokus erlangen. Er funktioniert analog zur Chi-Rüstung: Der Charakter würfelt er zu Beginn der Szene mit seiner Ki-Fertigkeit – die Schwierigkeit entspricht dem höchsten Jianghu-Rang unter den Widersachern des Charakters. Der Vorteil Ki-Fokus wehrt allerdings keine Angriffe ab – die Lehre der Samurai baut stark auf der Erwartung des eigenen Todes und dem Leben mit Augenblick ab. Stattdessen stimmt der Samurai seine Seele auf die des Gegners ein, beobachtet ihn genau und spielt den nahenden Kampf im Geiste durch. Bei Aktivierung mit freien Einsätzen oder Fate-Punkten erhöht der Ki-Fokus den Schaden eines erfolgreichen Angriffs um 2 Stufen.

Das bedeutet natürlich, dass Chi-Rüstung und Ki-Fokus sich gegenseitig aufheben. Das ist aber durchaus gewollt: Trifft ein Xia auf einen Samurai, kommt es auf die konkreten Techniken und Kampfmanöver an und keiner ist dem anderen von Haus aus überlegen. Bei einem Spiel im Ken-Geki-Stil rate ich aber von dieser Regelvariante ab: Da sind Samurai bereits tödlich genug und ihre Ki-Rüstung brauchen sie nötiger denn je.

Die Magie der Bewegung

 

Der vielleicht offensichtlichste Unterschied zwischen Wuxia und Chanbara kam bislang noch nicht zur Sprache – und er liegt in der Bewegung bzw. im Mangel an derselben. Wuxia-Helden sind sehr dynamisch. Sie wirbeln durch die Luft und führen effektvolle, magische Kung-Fu-Kräfte ins Feld. Dabei trotzen sie auch gerne einmal der der Physik. Fallen wir plumpen West-Wrestler aus dem Fenster, treibt die Schwerkraft uns mit viel Lärm dem Boden entgegen. Doch so ein Xia, der gleitet auf Windes Sohlen im schrägen Landeanflug sanft hinab.

 

Ein Chanbara-Held vermeidet solche Situationen von vornherein. Er bleibt gleich auf Boden der Tatsachen. Keine gewagten Sätze über Tische und Stühle, kein Emporkraxeln an Hauswänden: Wenn ein Samurai sich nicht gerade einer großen Gruppen an Gegnern gegenübersieht, die ihn zur Bewegung zwingt, kämpft er erstaunlich stationär. In Duellen bleiben die Gegner nah beieinander Die Action brandet in kurzen, schnellen Angriffen vor und zurück, unterbrochen von kleinen Pausen. Beim Wuxia kann man fast sicher sein, dass die Protagonisten selbst dann noch Faustschläge und Schwerthiebe fliegen lassen, während sie essen, tanzen oder ein ganzes Haus von der Eingangstür bis zum Dachgeschoss durchqueren.

 Ken-Geki-Stil: Zonenbewegung

Um dem eher bewegungsarmen Kampfstil im Chanbara-Genre Rechnung zu tragen, müssen wir eigentlich gar keine neuen Regeln finden. Die Beschreibung erledigt das für uns. Grundsätzlich ist es lohnend, Zonen in Samurai-Geschichten etwas enger zu fassen und räumlich kleiner zu gestalten (vgl. Tianxia, S. 146). So bleibt ein relativ realistisches Bild gewahrt und trotzdem gibt es die Möglichkeit, dynamischere Samurai zu spielen. Die zusätzliche Zonenbewegung durch einen höheren Jianghu-Rang bleibt unverändert, sie ist aber besser in grimmer Entschlossenheit, Fokus und Todesverachtung zu übersetzen als in akrobatische Kunststücke.

Und ich kann euch beruhigen: Wer einen Samurai in eine Tianxia-Runde einbringen möchte, aber trotzdem an Bambusbäumen hochlaufen und Blitze aus seinem Schwert schießen will, kann das mit dem Segen der Chanbara-Götter tun: Präzedenzfälle dafür gibt es inzwischen zuhauf. In Samurai-Anime wie „Rurouni Kenshin‟, „Samurai Champloo‟ oder „Sword of the Stranger‟ sind die Kämpfe zum Beispiel weitaus bewegungsintensiver. Moderne Fantasy-Samurai-Streifen wie „47 Ronin‟ mit Keanu Reeves setzen trotz Kimonos und Katanas ebenfalls mehr auf Wuxia-Choreographien als auf die One-Hit-Wonders aus dem Chanbara der 60er Jahre. Und dann gäbe es ja auch noch „Zatoichi Meets the One Armed Swordsman‟, ein amtliches Wuxia-Chanbara-Crossover, wo sich zwei berühmte Genre-Helden gegenübertreten.

 

Also, alles kann, nichts muss!

 

(Na gut… coole Samurai-Protagonisten müssen natürlich schon die passenden Kampfstile haben. Aber dazu kommen wir in ein paar Tagen…)

 


Tenka, die grobe Übersetzung für Tianxia ins japanische.
Tenka ist die Überschrift einer Artikelreihe die sich mit dem Gedanken befasst die Tianxia-Regeln für japanisch inspirierte Hintergrundwelten zu nutzen.
Wer an Legends of the Five Rings mit Fate Regeln denkt ist hier also goldrichtig.
Hier findest du alle früheren Blog-Artikel zu Tianxia und hier alle zur Themenserie Tenka.

 


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Tianxia: Jade, Seide & Blut

Tianxia #20: Samurai – Tenka – Eine Medienliste

Blut auf weißer Seide
Ob es sich jetzt um Yojimbo, Zatoichi oder Mugen dreht: Samuraikino ist Heldenkino. In dieser Hinsicht sind sich chinesischer und japanischer Kampfkunstfilm durchaus einig. Was man im Chanbara aber gemeinhin als Held bezeichnet, unterscheidet sich in beiden Spielarten des Kampfkunstfilms aber durchaus. Natürlich, beide treten für das Gute ein. Beide schützen die Schwachen. Und beide folgen dem Ideal des ehrenhaften, opferbereiten Kriegers. Und doch ist der Chanbara-Held insgesamt eine ganz andere Kante als der Xia chinesischer Prägung.

Sobald die Schwerter gezogen werden, zeigt sich der wohl offensichtlichste Unterschied zwischen Wuxia und Chanbara: Wo Wuxia-Helden durch die Luft wirbeln und magische Kung-Fu-Kräfte ins Feld führen, bleibt der Chanbara-Held am Boden der Tatsachen. Keine gewagten Sätze über Tische und Stühle, kein Emporkraxeln an Hauswänden: Wenn ein Samurai sich nicht gerade einer großen Gruppen an Gegnern gegenübersieht, kämpft er erstaunlich stationär.

Am Ende ist es meist nur ein einziger, pragmatischer Schwertstreich der zu einem Abschluss des Kampfes führt. In vielen Wuxia-Filme, geht einem solchen finalen Treffer ein minutenlanger Schlagabtausch hohen Schauwerten voraus. Bei „Tiger und Dragon‟ zum Beispiel sind die Kämpfe derart ästhetisiert, dass kaum ein Tropfen Blut fließt: Als Jen von Shu Lian beim Kampf in der Trainingshalle verwundet wird, ist ihr das nur ein kurzes Stirnrunzeln wert – und der Kamera kein Bild mit der Wunde. Ihr Gewand bleibt makellos weiß. Kein Vergleich zu Akira Kurosawas „Sanjuro‟, wo nach einem einzigen Treffer ganze Fontänen des Lebenssaftes aus dem Leib des Gegners schießen – ein äußerst beliebtes Motiv im Chanbara-Film, der in den letzten Jahrzehnten in puncto Blutigkeit nochmal ein paar Gallonen nachgekippt hat.

Damit der Samurai das Rot aber übers Frame spritzen lassen kann, muss der Schlag natürlich auch sitzen. Überhaupt greift ein Chanbara-Held in der Regel weniger beherzt an, als sein chinesischer Kollege. Zumindest wenn es um Zweikämpfe geht. Dem eigentlichen Klingenkreuzen geht eine lange Phase voraus, in der die Duellanten sich gegenseitig beobachten. Sie bewegen sich parallel zu einander, umtänzeln sich. Stechender Augenkontakt. Dann aufeinander zu! Klinge trifft Klinge oder Klinge trifft Fleisch. Im ersten Fall geht das Prozedere wieder von vorne los. Im anderen Fall… wird es kurz sehr rot auf dem Frame. Wer einen solchen Kampf einmal in seiner ganzen eindringlichen Pracht sehen will: Masaki Kobayashis Film „Harakiri‟ liefert bei der Duellszene zwischen Hikokuro und Hanshirō einfach ab!

Wer jetzt einen Samurai in eine Tianxia-Runde einbringen möchte, aber trotzdem an Bambusbäumen hochlaufen und Blitze aus seinem Schwert schießen will, der sei beruhigt: Präzedenzfälle dafür gibt es inzwischen zuhauf. In Samurai-Anime wie „Rurouni Kenshin‟, „Samurai Champloo‟ oder „Sword of the Stranger‟ sind die Kämpfe zum Beispiel weitaus bewegungsintensiver. Moderne Fantasy-Samurai-Streifen wie „47 Ronin‟ setzen trotz Kimonos und Katanas ebenfalls mehr auf Wuxia-Choreographien als auf die One-Hit-Wonders aus dem Chanbara der 60er Jahre. Und dann gäbe es ja auch noch „Zatoichi Meets the One Armed Swordsman‟, ein amtliches Wuxia-Chanbara-Crossover, wo sich zwei berühmte Genre-Helden gegenübertreten. Also, alles kann!

Spielfilm

  • Rashōmon (1950, Akira Kurosawa)
  • Die Sieben Samurai (1954, Akira Kurosawa)
  • Samurai Trilogy (1954-1956, Hiroshi Inagaki)
  • Das Schloss im Spinnwebwald (1957, Akira Kurosawa)
  • Die verborgene Festung (1958, Akira Kurosawa)
  • Yojimbo: Der Leibwächter (1961, Akira Kurosawa)
  • Budda (1962, Kenji Misumi, nicht wirklich ein Chanbara, aber Vollständigkeit zählt)
  • Harakiri (1962, Masaki Kobayashi)
  • Sanjuro (1962, Akira Kurosawa)
  • The Tale of Zatoichi (1962, Kenji Misumi)
  • Ken (1964, Kenji Misumi, ein Kendo-Film)
  • Three Outlaw Samurai (1964, Hideo Gosha)
  • Zatoichi and the Chess Expert (1965, Kenji Misumi)
  • The Sword of Doom (1966, Kihachi Okamoto)
  • Kill! (1968, Hideo Gosha)
  • Sword of the Beast (1968, Hideo Gosha)
  • Goyokin (1969, Hideo Gosha)
  • Hitokiri (1969, Hideo Gosha)
  • Red Sun (1971, Terence Young)
  • Zatoichi and the One-Armed Swordsman (1971, Kimiyoshi Yasuda)
  • Hanzo, the Razor (1972, Kenji  Misumi)
  • Okami: Das Schwert der Rache (1972, Kenji Misumi, die “Lone Wolf and Cub”-Verfilmung)
  • Okami: Am Totenfluss (1972, Kenji Misumi)
  • Okami: Der Wind des Todes (1972, Kenji Misumi)
  • The Last Samurai (1974, Kenji Misumi, die japanische Vorlage des Hollywood-Films)
  • Kagemusha – Der Schatten des Kriegers (1980, Akira Kurosawa)
  • Ran (1985, Akira Kurosawa)
  • Ghost Dog (1999, Jim Jarmusch; ein amerikanischer Auftragskiller folgt dem Bushido)
  • Samurai der Dämmerung (2002, Yōji Yamada)
  • Zatoichi: Der blinde Samurai (2003, Takeshi Kitano)
  • Das verborgene Schwert (2004, Yōji Yamada)
  • Love and Honor (2006, Yōji Yamada)
  • 13 Assassins (2010, Takashi Miike)
  • Harakiri (2011, Takashi Miike)
  • Rurouni Kenshin (2012, Keishi Ōmoto)
  • Blade of the Immortal (2017, Takashi Miike, Jubiläum: 100ster Film)

Animation

  • Rurouni Kenshin (TV, 1996, Studio Gallop / Studio Deen)
  • Rurouni Kenshin: The Movie (1997, Studio Gallop)
  • Rurouni Kenshin: Trust & Betrayal (2000, Studio Deen)
  • Samurai Deeper Kyo (2002, Studio Deen)
  • Samurai 7 (2004, Gonzo)
  • Samurai Champloo (2004, Manglobe)
  • Gintama (2006, Sunrise)
  • Afro Samurai (2007, Gonzo)
  • Shigurui (2007, Studio Madhouse)
  • Sword of the Stranger (2007, Bones)
  • Blade of the Immortal (2008, Bee Train)
  • Afro Samurai: Resurrection (2009, Gonzo)
  • Sengoku Basara: Samurai Kings (2009, Production I.G)
  • Hakuōki (2010, Studio Deen)
  • Saraiya Goyō (2010, Manglobe)
  • Kubo: Der tapfere Samurai (2016, Travis Knight)

Comic und Manga

  • Lone Wolf and Cub (1970, Kazuo Koike)
  • Blade of the Immortal (1993, Hiroaki Samura)
  • Rurouni Kenshin (1994, Nobuhiro Watsuki)
  • Vagabond (1998, Takehiko Inoue)
  • Samurai Deeper Kyo (1999, Akimine Kamijō)
  • Okko (2005, Hub)

Spiel

  • Samurai Showdown (1993, SNK)
  • Onimusha: Warlords (2001, Capcom)
  • Throne of Darkness (2001, Click Entertainment)
  • Masamune: The Demon Blade (2009, Vanillaware)
  • Kagematsu (2010, Cream Alien Games / System Matters)
  • Legend of the Five Rings: 4te Edition (2010, Fantasy Flight Games)
  • Total War: Shogun 2 (2011, Creative Assembly)
  • Nobunaga’s Ambition: Sphere of Influence (2013, Tecmo Koei)
  • Samurai Warriors 4 (2014, Tecmo Koei)
  • Shadow Tactics: Blades of the Shogun (2016, Mimimi Productions)

 


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Tianxia #19: Samurai – Tenka – Samurai auf der Leinwand

Was ist das Geräusch von zwei aufeinandertreffenden Schwertern?

Klirr?

Klingt eher, als hätte jemand die teuren Kristallgläser fallen lassen.

Schepper?

Ein aufgetürmter Haufen Metallreste stürzt in sich zusammen. Nicht eben ideal, um einen dynamischen Zweikampf zu vertonen.

Klang?

Hammer schlägt auf Amboss. Nah dran, aber noch nicht ganz auf den Punkt.

Eigentlich liegt die Antwort auf der Hand…

Chanbara!

 

Na gut, zumindest für Japaner ist die Sache eindeutig (und wer sonst noch richtig gelegen hat, der bekommt einen Fatepunkt). Im Japanischen ist Chanbara (チャンバラ, eigentlich chanchan barabara) das Geräusch, das mehrere Schwerter machen, die aufeinander einschlagen. Von diesem lautmalerischen Begriff leitet sich auch der Name für historische, japanische Schwertkampffilme ab: Die Chanbara-Filme.

Chanbara kam in Japan in den 1950er und 1960er Jahren auf und ist ein ein Subgenre des Jidai Geki. Jidai Geki, grob übersetzt Historiendrama, umfasst alle Filme, deren Handlung sich in der fernen Vergangenheit Japans abspielt; im Gegensatz zum Gendai Geki, dem zeitgenössischen Drama. „Ferne Vergangenheit‟ ist im Jidai Geki dabei fast immer gleichbedeutend mit der Epoche der Samurai vom 11. bis zum 18. Jahrhundert.

Wem bei Jidai jetzt die Ohren klingeln: Der Begriff erinnert nicht nur zufällig an die Jedi-Ritter aus dem Star Wars-Universum: George Lucas ist nämlich ein großer Freund des asiatischen und besonders des japanischen Kinos. Er hat seine Weltraum-Saga deutlich ans japanische Kino angelehnt, besonders seine asketischen Laserschwert-Akrobaten.

Das Samuraifilm-Genre

Allerdings dürfte das Chanbara-Genre den größten Einfluss auf Lucas gehabt haben. Schlagende Schwerter sind nämlich nicht unbedingt die Lieblingsdisziplin des Jidai Geki. Von Haus aus ist das japanische Historiendrama eher arm an Action: Jidai Geki-Filme legen das Hauptaugenmerk auf romantische und politische Verwicklungen. Die Samuraizeit wird ausgebreitet wie eine Kulisse, vor der zwischenmenschliche Konflikte ausgespielt werden.

Der Chambara-Film, auch Ken Geki (dt. Schwertstück) genannt, schlug voll in diese Lücke. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich als actionbetonte Alternative zum klassischen Jidai-Geki-Drama. In vielen Samurai-Filmen wird mit Blut nicht gegeizt, dafür ist Gewaltdarstellung im Vergleich zum Wuxia-Kino stilisiert und sehr minimalistisch: Wer sehen möchte, dass Leute auf Häuser springen oder Blitze aus ihren Schwertern feuern, der ist in China vielleicht besser aufgehoben. Chanbara-Animes lassen es aber durchaus schon einmal auf ein paar Spezialeffekte ankommen.

Der Fokus auf Action im Chanbara bedeutet übrigens nicht, dass die sozialen Konflikte des Jidai Geki ganz aus der Handlung verschwanden. Im Gegenteil, in Samurai-Filmen machen die Helden meist massive gesellschaftliche Umwälzungen durch. Nicht zufällig spielt ein Großteil der Chanbara-Filme vor dem Hintergrund der Tokugawa-Epoche. Der wandernde Rōnin, also der herrenlose Samurai, ist die typische Heldenfigur des Genres. Keinem Befehlshaber verpflichtet ist er frei von den Zwängen der japanischen Gesellschaft, aber trotz seiner Privilegien oft hoffnungslos verarmt. Er lässt sich einfach treiben – da passt die wörtliche Übersetzung von Rōnin, Wellenmensch, natürlich ins Bild.

Die Lieblinge des Westens

Dass der Samuraifilm auch bei Leinwand-Nerds im Westen bekannt ist, verdanken wir maßgeblich einem japanischen Regisseur: Akira Kurosawa. Sein Drama „Rashōmon‟ gewann 1951 den Goldenen Löwen in Venedig und ein Jahr später den Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film‟. Das facettenreiche Jidai-Geki-Verwirrspiel gilt als ein Meilenstein der Filmgeschichte. Außerdem lenkte er die Aufmerksamkeit des Westens auf das japanische Kino.

Besonders ein Darsteller in „Rashōmon‟ profitierte vom Erfolg des Films: Toshiro Mifune. Er und Kurosawa setzten in den folgenden Jahren viele Projekte gemeinsam um. Mifunes expressives Schauspiel machte ihn international zum Star. Er brachte eine rohe, körperliche Präsenz und ein ausdrucksstarkes Mienenspiel auf die Leinwand. Es ist nicht übertrieben, Mifune als das Gesicht des Chanbara-Genres zu bezeichnen. Viele Film-Samurai wie Sanjuro oder Miyamoto Musashi verdanken ihre Unsterblichkeit Mifunes einzigartiger Verkörperung.

Wie Mifune die Darstellung von Samurai prägte, brachte Kurosawa neue Themen ins Genre ein. Sein Epos „Die Sieben Samurai‟ wird in der Filmlandschaft rauf- und runterzitiert und ist mit Sicherheit Kurosawas bekanntester Film – ein gern gesehener Eintrag auf jeder Movie Bucket List. Passend, denn gestorben wird in „Die Sieben Samurai‟ reichlich. Der Plot dreht sich um eine Gruppe von sieben Ronin, die ein Bauerndorf gegen jährlich einfallende Banditen verteidigen. Im Grunde handelt es sich bei diesen titelgebenden Samurai also um ein Chanbara-Ensemble. Das ist an sich schon eine Besonderheit: Die meisten Filme des Genres fokussieren sich ganz auf Einzelkämpfer. Für Rollenspiel-Gruppen ist „Die Sieben Samurai‟ daher eine prima Ressource.

Das Actiondrama „Yōjimbō‟ ist aus anderen Gründen sehenswert. Für diesen Film ließ Kurosawa sich vom amerikanischen Western inspirieren und zeichnete das Bild einer Samuraizeit im Niedergang. Der Samurai hat hier seinen Status als moralisches Leitbild und gesellschaftliche Elite eingebüßt: Was übrig bleibt, sind verlauste Herumtreiber mit scharfen Schwertern und großem Hunger. Sie kümmert nur, dass ein paar Ryō in den Beutel und Reis auf den Tisch kommt.

Kurosawas blutig-staubige Bildersprache fand im Westen eine begeisterte Anhängerschaft. George Lucas war wie gesagt ein Fan, dasselbe gilt aber auch für Sergio Leone und Clint Eastwood. Kurosawas Filme waren stilprägend für den Italo-Western, wo der herrenlose Samurai zum wandernden Outlaw umgedeutet wurde. „Für eine Handvoll Dollar‟ und „Die glorreichen Sieben‟ sind nichts anderes als Remakes von „Die Sieben Samurai‟ und „Yōjimbō‟, nur eben in der amerikanischen Prärie. In der Folge gab es eine fruchtbare Partnerschaft zwischen dem Chanbara-Film und dem Western. Auch bei anderen Regisseuren beeinflussten

Seine große Popularität im Westen wurde Kurosawa in Japan tatsächlich zum Teil negativ ausgelegt, orientierte sich seine Filmästhetik doch zunehmend an Hollywood. Tatsächlich war er zur Umsetzung seiner späteren Films „Kagemusha‟ und „Ran‟ auf Geld aus dem Westen angewiesen. Bewunderer wie George Lucas und Francis Ford Coppola sprangen bereitwillig für ihn in die Bresche.

Die Großen des Ostens

Es wäre aber falsch, den Chanbara-Film nur auf Akira Kurosawas Schaffen zu reduzieren. Tatsächlich ist die Riege der Samurai-Filmemacher zu groß, als dass man alle nennen könnte – und ich kenne selbst nicht alle. Ein paar Namen, will ich aber nicht unerwähnt lassen.

  • Hideo Gosha: Goshas Werke sind bei uns weitaus weniger bekannt als die Kurosawas, doch waren in Japan ähnlich wirkmächtig. Besonders „Goyokin‟ und „Hitokiri‟ sind echte Schmuckstücke des Genres. Der Wuxia-Regisseur Chang Cheh, Schöpfer des One-Armed Swordsman, hat sich stark von Goshas Arbeit beeinflussen lassen.
  • Kenji Misumi: Ein Name, den man sich nicht merken muss – einfach weil er bei gefühlt jedem zweiten, guten Jidai-Geki-Film in den Credits steht. Mehr als 30 Filme in 25 Jahren gehen auf seine Kappe – bei seinem Studio Daiei Films galt er aber als Trödler. Klassiker wie die Verfilmungen des Mangas „Lone Wolf and Cub‟, sowie viele Filme der „Zatoichi‟-Reihe sind von ihm (einen davon drehte er zusammen mit Regisseur Daisuke Itō, einem Chanbara-Pionier der Stummfilmzeit). Wer sehen will, wie ein japanischer Sandalenfilm der Marke „Ben Hur‟ oder „Die zehn Gebote‟ aussieht, dem sei Misumis „Buddha‟ ans Herz gelegt.
  • Hiroshi Inagaki: Vom Stummfilmschauspieler zum Chanbara-Regisseur: In den 20er Jahren spielte Inagaki noch in den Filmen von Autorenfilmer Kenji Mizoguchi mit, der ebenfalls für seine Historienfilme bekannt ist. Zusammen mit Toshiro Mifune setzte Inagaki aber viele Samurai-Filme um, darunter eine Filmtrilogie um den Samurai Miyamoto Musashi um. Der erste Teil erhielt sogar einen Oscar.
  • Kihachi Okamoto: Eigentlich für Satiren und schwarze Komödien bekannt, realisierte Okamoto mit „Sword of Doom‟ einen der zynischsten Samuraifilme aller Zeiten – die Szene am Ende, in der der Protagonist einen ganzen Samurai-Clan auslöscht, ist an blutigem Wahnsinn kaum zu überbieten.
  • Yōji Yamada: Auch wenn er schon über 70 Jahre lang Filme macht – die bekannte Chanbara-Trilogie Yamadas entstammen der letzten Dekade. Der erste Film der Trilogie, „Samurai der Dämmerung‟ räumte gleich12 Japanese Academy Awards ab. Rekord!

Das „names-dropping‟ könnte jetzt natürlich ewig so weitergehen. Erwähnenswert wären beispielsweise noch Kultregisseur Takashi Miike, der mit „13 Assassins‟ einen der besten Chanbara-Filme der neueren Zeit kreierte – inspiriert von Hideo Gosha. Oder Bond-Regisseur Terence Young, der mit „Red Sun‟ einen Samurai (natürlich gespielt von Mifune) in den Wilden Westen schickt, an der Seite von Charles Bronson. Und als letztes ein persönlicher Tipp: Lasst euch auf keinen Fall „Harakiri‟ von Masaki Kobayashi entgehen. Dieses bushidō-kritische Kammerspiel ist einer meiner absoluten Lieblings-Chanbara-Filme. Wer Schwarzweiß nicht mag: Mit der Neuverfilmung von Miike macht ihr auch nicht viel falsch.

Samurai im Anime

Der japanische Animationsfilm geht bei der Verfilmung von Chanbara-Stoffen eigene Wege. Die klassischen Themen und Handlungselemente des Genres werden hier buchstäblich überzeichnet: Um den Einfluss westlicher Technologie auf den Niedergang der Samurai zu thematisieren, reicht in Kurosawas „Yōjimbō‟ ein Bösewicht mit einem Revolver aus. In „Afro Samurai‟ muss es da schon eine Granatwerfer sein.

Überhaupt sind Science-Fiction oder Fantasy-Elemente in animierten Samurai-Geschichten sehr verbreitet – meist entlehnt aus der japanischen Folklore. In „The Hakkenden‟ zum Beispiel geht es um 8 reinkarnierte Krieger, die von einem Hund abstammen und sich gegen dämonische Mächte zur Wehr setzen. Eine Schippe drauf legen „Sengoku Basara‟ und die futuristische „Sieben Samurai‟-Umdeutung „Samurai 7‟. Hier brennen die Kämpfe Effektfeuerwerke ab, die jeden Superhelden neidisch machen.

Aber selbst dort, wo man sich mit Blitzen, Erdbeben und glühenden Augen zurückhält, sind die Schlagabtausche in Animes häufig viel bewegungsintensiver als in den Real-Verfilmungen. Das macht den Samurai-Trickfilm natürlich zur idealen Quelle für „Tianxia‟: Die Art, wie hier gestritten wird, ist deutlich näher an der Wuxia-Ästhetik als das typische Chanbara. Das wird besonders in Realverfilmungen von bekannten Animes deutlich. Das beste Beispiel: Die neuen „Rurouni Kenshin‟-Filme, basierend auf den Abenteuern des wohl bekanntesten Manga- und Anime-Samurai. Die Original-Serie lohnt sich da aber deutlich mehr.

Wer sich aber doch eher zum bodenständigen Chanbara hingezogen fühlt, der wird auch im Trickfilm-Genre fündig. „Shigurui‟ und „Saraiya Goyō‟ sind nur zwei Beispiele für eher zurückhaltende Anime (auch wenn ersterer immer wieder neue Wege findet, die Gewaltdarstellung noch expliziter zu machen). Spannend ist, dass der Zeichenstil beider Serien in eher gedeckten und blassen Farben gehalten ist und so ein wenig an die alten Schwarzweiß-Klassiker gemahnt. Das genaue Gegenteil geht natürlich auch: „Samurai Champloo‟ ist eine grelle Samurai-Road-Movie-Serie, die einen tollen Hip-Hop-Soundtrack auf der Tonspur auflegt. Historische Korrektheit? Nö, dafür aber die wohl lässigste Chanbara-Auskopplung im Japanime! Gebt euch das unbedingt!

 


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Tianxia: Jade, Seide & Blut

Tianxia #18: Samurai – Tenka – Eine Einleitung

In einem früheren Blog-Artikel zu „Tianxia‟ hat Dominik bereits die Comicserie „Usagi Yojimbo‟ zur Sprache gebracht – und mir damit den Weg zu diesem Artikel geebnet. Denn denkt man sich die Hasenohren, das weiße Fell und den Puschel am Hintern weg, ist Usagi ein ganz typischer Protagonist japanischer Samurai-Geschichten. Seit den späten 50er Jahren sind diese Geschichten dank der Pionierarbeit einiger Filmemacher auch bei uns ein Begriff. Und weil es sich bei den Samurai um heldenhafte, asiatische Schwertkämpfer dreht, müssen sie sich doch eigentlich wunderbar in „Tianxia‟ einbinden lassen, oder?

 

Na klar!

 

Aber ein Schritt nach dem anderen. Unsere Samurai lassen sich dafür ein paar Blogbeiträge Zeit. In den nächsten Artikeln werde ich nach und nach auf Samurai-Geschichte und -Geschichten eingehen. Und wie man die chinesischen „Tianxia‟-Regeln auf das japanische Samurai-Genre ummünzen kann natürlich auch. Erst einmal ein kurzer Überblick, was euch erwartet:

 

  1. Samurai – Eine Einleitung: Lest ihr grade, Freunde. Und macht gerne damit weiter. Gleich bekommt ihr nämlich einen kurzen Abriss über den Samurai als Heldentyp und die Geschichte der japanischen Kriegerkaste.
  2. Samurai auf der Leinwand: Ab hier geht’s dann um der Samuraifilm. Ich stelle das Genre vor, nenne seine wichtigsten Macher und gebe euch eine umfangreiche Medienliste zur Inspiration mit auf den Weg.
  3. Samurai eine Medienliste: Samurai-Geschichten gibt es wie Sand im Zen-Garten. Hier eine Auswahl.
  4. Samurai – Wuxia trifft Chanbara: In diesem Artikel beleuchte ich, welche Unterschiede zwischen Kämpfen im Wuxia-Film und solchen im Samurai-Film bestehen. Und damit ihr es auch am Spieltisch krachen lassen könnt, versuche ich mich an ein paar Anpassungen für die „Tianxia‟-Kampfregeln.
  5. Samurai – Neue Stile: Kampftechniken für den Samurai
  6. Samurai – Der Weg des Kriegers: In diesem Artikel umreiße ich den Bushido, den kriegerischen Verhaltenskodex der Samurai. Vielleicht wollt ihr ja sogar „Turbo-Tianxia‟ auf Basis der Bushido-Tugenden spielen. Nach der Lektüre dieses Artikels geht das.
  7. Samurai – Ninjo vs. Giri: Die rigide Gesellschaftsstruktur Japans brachte die Samurai immer wieder in moralische Zwickmühlen. In diesem Artikel mache mir daher ein paar Gedanken, wie sich der daraus erwachsene Ninjo-Giri-Konflikt in „Fate‟ umsetzen lässt. Ihr versteht kein Wort? Lesen!
  8. Samurai – Tenka – Mehr unter dem Himmel: Die Bewohner von Shénzōu glauben, sie wüssten Bescheid über alles unter dem Himmel. Doch die Bewohner von Ōyashima, des Reiches der östlichen Inseln, haben auch ein Wörtchen mitzureden. Dieser Artikel erweitert die Welt von Tianxia um ein Äquivalent zu Japan, mit ein paar Schauplätzen, NSC und Aspekten.
  9. Samurai – Tenka-Beispielcharaktere: Dieser Beitrag stellt insgesamt sieben Samurai bereit, die ihr direkt in eurer Kampagnen nutzen könnt, wahlweise als Spielercharaktere oder NSC.

 

Soweit der Überblick. Jetzt aber endlich zum Kern der Sache!

Xia und Samurai

Samurai. Dieser Begriff weckt Assoziationen. Jeder Japanfreund, Anime-Fan und Gamer weiß etwas damit anzufangen. Und wer bei „Tianxia‟ einen Samurai spielen will, der braucht ein klares Bild. Auf den ersten Blick ähneln die japanischen Samurai den Xia aus den chinesischen Geschichten sehr. Doch steigt man etwas tiefer ein, treten die Unterschiede deutlich hervor.

Zunächst grenzen sich Samurai hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Rolle von typischen Wuxia-Helden ab. Obwohl, was heißt typisch? Ein Xia kann ja theoretisch aus allen Lebensbereichen stammen. Der General der kaiserlichen Armee, die matronenhafte Herbergsmutter und der alte zahnlose Bettler: All das sind mögliche Anwärter für die Hauptrolle in einer Wuxia-Geschichte.

In Samurai-Stories ist die gesellschaftliche Stellung des Protagonisten viel stärker festgeschrieben. Das hängt mit der strikten Hierarchie im feudalen Japan zusammen: Alle Samurai gehörten einer Art Kriegeradel, den Buke an. Na schön, zumindest meistens. Es gab durchaus Phasen in der Geschichte Japans, in der Leute aus den niederen Ständen selbst Samurai werden konnten (etwa während der Sengoku-Periode). Und dann gab es noch die Rōnin, herrenlose, wandernde Samurai. Nominell waren sie immer noch Edelleute, doch besaßen viele von ihnen kaum mehr als ihre Schwerter. Diese beiden Gruppen stehen den gesellschaftlich flexiblen Xia natürlich nahe. Kein Wunder, dass die meisten Samurai-Geschichten genau sie zu ihren Protagonisten erkoren haben.

Als eine der herrschenden Schichten hatten die Samurai viele Privilegien inne. Dazu gehörte auch das grausame Recht einen Untergebenen einfach zu töten, sollte der Samurai sich von ihm beleidigt fühlen. Selbst ein streunender Rōnin mit merklichem Hygieneproblem konnte von einem Bauern Respekt erwarten – der Protagonist im Samuraifilm „Yojimbo‟ hat diesen Umstand am Fleischtopf und an der Sakeflasche mächtig ausgenutzt.

Doch wo Rechte sind, sind natürlich auch Pflichten. Jeder Samurai folgte, so das allgemeine Bild, einem strengen Ehrenkodex, dem Bushidō. Dieser hielt ihn zu Mut, Ehre und Höflichkeit an. Und natürlich zu Gehorsam. Ähnlich einem europäischen Ritter hatte auch ein Samurai seinem Lehnsherren, dem Daimyō, bedingungslos die Treue zu halten. Dies ging soweit, dass der Daimyō von seinem Samurai sogar die rituelle Selbsttötung (Seppuku) verlangen konnte. Dies wurde allerdings nur angeordnet, wenn der Samurai schwere Schande auf sich geladen hatte. Bei der Seppuku-Zeremonie schnitt sich der Samurai mit einem Dolch den Bauch auf, damit nach japanischer Vorstellung die Seele entweichen konnte. Dann wurde ihm von einem Sekundanten der Kopf abgeschlagen. Die Schmach galt damit als abgegolten.

Optisch ist der Samurai ebenfalls deutlich zu erkennen, an seinen Waffen. Jeder Samurai trägt ein Daishō an seiner Seite, ein Schwerterpaar. Es besteht traditionell aus einer langen Klinge, dem Katana, und einer kurzen Klinge, dem Wakizashi. Die Scheide ist dabei so angelegt, dass die schneidende Seite der Klingen nach unten zeigt. Ebenfalls typisch für Samurai war der Chonmage, ein spezieller Haarknoten. Er ragte von der hinteren Seite des Kopfes auf. Das Haar davor war bis an die Stirn ausrasiert. In Friedenszeiten war der Kimono das Kleidungsstück der Wahl. In der Schlacht trugen Samurai hingegen Rüstungen aus Leder, Metall oder Bambus mit beweglichen Schulterplatten und verzierten Helmen. Auch dämonisch grinsende Masken, die die untere Hälfte des Gesichtes bedeckten, waren verbreitet.

Ein weiterer Unterschied zwischen Samurai und Xia zeigt sich in ihrem Verhältnis zu Autoritäten. Wo der Wuxia-Held die soziale Ordnung auch schon einmal mit Füßen tritt, ganz buchstäblich, ist der Samurai ein Befehlsempfänger. Schon im Wort Samurai schwingen Demut und Gehorsam mit. Wörtlich aus dem Japanischen übersetzt bedeutet es Diener oder Gefolgsmann. Die Bezeichnung Samurai für den japanischen Kriegerstand kam aber erst im 16. oder 17. Jahrhundert überhaupt auf – vorher war es der Begriff für die Wachen des Kaisers. Viel verbreiteter war die Bezeichnung Bushi, was einfach Krieger bedeutet.

Die Zeit der Samurai

Die Geschichte der Samurai ist voller Aufs und Abs. Zur besseren Benutzbarkeit am Spieltisch will ich daher vor allem auf vier Epochen eingehen.

Die Heian-Periode (Der Ursprung der Samurai)

Die Anfänge der Samurai sind unspektakulär. Vor Ende des 8. Jahrhunderts rekrutierte sich die japanische Armee, wie die chinesische auch, durch die Wehrpflicht. Doch Kaiser Kammu hielt das System für zu ineffektiv und schaffte es im Jahr 792 kurzerhand ab – die schlechten Leistungen der Soldaten in seinen Expansionskriegen könnten den Ausschlag dazu gegeben haben. Kammu setzte in der Folge auf Freiwillige, doch ihre Zahl war zu gering. Die Großbauern und Grundbesitzer in den entlegenen Gebieten mussten sich also selbst verteidigen: Die Geburtsstunde der späteren Samurai-Clans.

Die Sengoku-Periode (Die Festigung der Macht)

Ab dem 12. Jahrhundert schlitterte Japan in eine bewegte Zeit voller Konflikte. Der Mongolenherrscher Kublai Khan griff das Inselreich mehrfach an. Chaos und Hunger waren die Folge. Die Kaiser verloren an Einfluss, während ihre Shōgune, die Oberbefehlshaber der Samurai, die eigentliche Macht im Staate hatten. Je weiter die Hauptstadt entfernt war, desto mehr regierten die jeweiligen Daimyō, die Vasallen des Shōguns, nach Gutdünken. Das führte Ende des 15. Jahrhundert dann zur Sengoku-Zeit – Japans ganz eigener „Zeit der streitenden Reiche‟, während der viele Provinzen Krieg gegeneinander führten.

Die Edo-Zeit (Der Niedergang der Samurai)

Mit dem Ende der Sengoku-Zeit und der Einigung Japans durch Tokugawa Ieyasu, begann die Edo-Zeit, benannt nach der neuen Hauptstadt (das heutige Tokyo). Damals wandelte sich die Samuraikaste vom Krieger- zum Beamtenstand – das Daishō hatte nur noch symbolische Bedeutung. Als Shōgun Tokugawa dann die Daimyō anwies, ihre Armeen zu verkleinern, fluteten Rōnin die Städte und Dörfer. Das bekannte Epos der „47 Rōnin‟ entstammt der Edo-Zeit, ebenso die endgültige Form des Bushidō. Das romantisierte Bild vom Samurai, das wir heute haben, geht daher hauptsächlich auf die Edo-Zeit zurück.

Die Meiji-Restauration (Das Ende der Samurai)

Im Jahr 1868 wurde in Japan die Machtposition des Kaisers (jap. Tennō) wiederhergestellt. Japan wandelte sich zu einer konstitutionellen Monarchie nach westlichem Vorbild. 1876 schaffte der neue Kaiser Mutsuhito die Privilegien der Samurai komplett ab, das Tragen des Daishōs wurde verboten. Ein Jahr später kam es zum Satsuma-Rebellion, bei der eine Gruppe frustrierter Samurai sich gegen die Politik des Kaisers wandte – wenn auch nicht gegen den Kaiser selbst. Sie wurde am Ende von der modernen Waffen ausgestatteten, kaiserlichen Armee zerschlagen.

Erstmal bis hierhin. Im nächsten Artikel wird es dann um den Samurai-Film gehen. Lasst besser schon einmal den Blue-Ray-Player warmlaufen.

Also dann, sayōnara!

 
Tenka, die grobe Übersetzung für Tianxia ins japanische.
Tenka ist die Überschrift einer Artikelreihe die sich mit dem Gedanken befasst die Tianxia-Regeln für japanisch inspirierte Hintergrundwelten zu nutzen.
Wer an Legends of the Five Rings mit Fate Regeln denkt ist hier also goldrichtig.
Hier findest du alle früheren Blog-Artikel zu Tianxia und hier alle zur Themenserie Tenka.

 


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